Samstag, 4. September 2010

Besinnung einmal anders!

Es war für uns eine große Überraschung, als Ruth uns gestern sagte, dass wir bereits heute mit ins Gefängnis gehen dürften. Zur Vorbereitung auf die Professfeiern am Sonntag sowie den Noviziatsbeginn zweier Postulanten sollte P. Wayne, der geistliche Leiter der Gemeinschaft, einen Besinnungstag halten. Welche Überraschung für uns! 
Das Bethany House
Ruth hatte uns genau instruiert: wir durften wirklich gar nichts mitnehmen, keine Armbanduhr, nur ein Kettchen mit Kreuz (für den Fall, dass wir zusätzlich noch eine Medaille trügen), nicht einmal ein Taschentuch war erlaubt! Leider auch kein Fotoapparat, so dass es von heute keine Fotos gibt. Morgen werden Fotos erlaubt sein, aber man ist im Gefängnis nun strenger geworden. 
In Norfolk sitzen etwa 1.500 Männer ein, mit unterschiedlichen Strafen. „Lebenslänglich“ ist unterteilt nach Schweregrad. Wer „lebenslänglich Grad 1“ hat, hat keine Chance, jemals wieder entlassen zu werden. Kathleen hat eine Gruppe mit 9 dieser Männer, die auch über Fragen sprechen wie „im Gefängnis alt werden und sterben“. Einer von ihnen ist Phil, der derzeitige Leiter der Gemeinschaft. Er war gerade mal 17 Jahre, als er zu „lebenslang Grad 1“ verurteilt wurde. Jetzt ist er etwa Mitte 40… Ein anderer erzählt uns, dass er seit 50 Jahren im Gefängnis ist! Aber die Männer, die zur Laiengemeinschaft gehören, haben einen Sinn in ihrem Leben gefunden, der ihnen ermöglicht, ihr Los zu tragen.
Die Begrüßung ist sehr herzlich, einfach brüderlich. Uns fällt sofort auf, dass viele der Männer den Frieden im Gesicht stehen haben. Nach und nach kommen noch einige Freiwillige, und hätten die Mitglieder der Laiengemeinschaft nicht die Anstaltskleidung – Jeans und T-Shirt – und das dominikanische Kreuz, wüssten wir nicht zu sagen, wer Freiwilliger und wer Inhaftierter ist. 
Wir beginnen mit der gemeinsamen Laudes. Die Band „Echo of Truth“ (Echo der Wahrheit) spielt „Amazing Grace“, das Lied über die unvorstellbare Gnade Gottes. Es ist bewegend, dieses Lied hier an dieser Stelle zu singen! So geht es auch mit dem Hören der Lesungen. Z.B. aus dem Römerbrief in den Laudes, der Text des heutigen Samstags: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Soweit es Euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden! Lasst Euch nicht vom Bösen besiegen, sondern besiegt das Böse durch das Gute!“
Nach den Laudes stellen sich die Männer kurz vor und sagen, wo sie auf ihrem Weg in die Laiengemeinschaft stehen. Etwa 40 Männer sind bereits Mitglied, viele haben Ewige Profess, und etliche Mitglieder leben nach ihrer Entlassung in einer anderen Laiengemeinschaft weiter.
Wir sind tief beeindruckt von dem, was die Männer teilen. Jemand sagt, das Bitterste einer langen Inhaftierung sei, dass man nach und nach sein soziales Netz außerhalb des Gefängnisses verliert und niemanden mehr hat, mit dem man Freude und Leid teilen kann. Dies sei die große Gnade der Laiengemeinschaft: wer zu ihr gehört, hat eine Familie im Gefängnis gefunden, die einander stützt und trägt. Ein anderer berichtet von den Gefühlen der Erniedrigung und Demütigung, die mit der Verurteilung und Inhaftierung einhergehen. Aber in der Laiengemeinschaft hat er erfahren, dass er so angenommen ist, wie er ist, als gleichwertiger, wertvoller Bruder. Es ist unglaublich, was die Gnade Gottes bewirken kann, wenn man sich ihr öffnet! 
Pater Jean Joseph Lataste, Gründer Bethaniens
Ein Mann erzählt, dass er in Kürze entlassen wird, und wenn der Bischof seine Zustimmung gibt, möchte er ins Priesterseminar gehen und Priester werden, um den Menschen von der großen, unendlichen Gnade Gottes zu verkünden. Ein anderer berichtet, dass er in einem Präventionsprojekt mitarbeitet, bei dem Jugendliche ins Gefängnis gebracht werden und Gefangene ihnen von ihrem Alltag erzählen und der ganzen Härte des Freiheitsentzugs, um Jugendliche vor dem Gefängnis zu bewahren.  Es ist ergreifend.
Nach dem Mittagessen, erzählen wir ein wenig von unseren Kongregationen. Wir haben für jeden ein Buchzeichen mit einem kleinen Stück Stoff mitgebracht, das mit P. Lataste in Berührung war, dazu eine Karte mit den Porträts von P. Lataste von Sr. Anne van der Putte und ein kleines Fotobuch mit Fotos von Montferrand. Die Freude ist groß. Aber Sr. Pia Elisabeth und ich haben das Gefühl, selber mindestens so reich beschenkt zu werden!
P. Wayne sagte in seiner Predigt gestern, das Reich Gottes sei schon gekommen, man müsse es nur sehen. Hier in Norfolk kann man es sehen: Gottes Liebe und Barmherzigkeit kann Menschen verändern, kann sogar ein Gefängnis in ein Kloster verwandeln, in dem Menschen trotz widrigster Umstände ein Leben der Nachfolge leben können. Wenn das nicht Reich Gottes ist!
Wir feiern noch gemeinsam Eucharistie. Danach müssen wir ziemlich überstürzt aufbrechen, weil wir die zugestandene Zeit schon überzogen haben. Aber morgen werden wir wieder hier sein und mit den Männern die Professmesse feiern – am Geburtstag von P. Lataste und an dem Tag, an dem der neue Ordensmeister in Rom gewählt wird!
Sr.Sara, z.Zt. Norfolk, USA 

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