Montag, 29. August 2011

Profess-Party

Vorgestern hat Sr. Diana ihre Ewige Profess abgelegt, das Versprechen, Jesus Christus bis zu ihrem Lebensende nachzufolgen - und zwar in der Gemeinschaft der Dominikanerinnen von Bethanien und nach den drei evangelischen Räten: Armut, Keuschheit in Ehelosigkeit und Gehorsam.
Da das so etwas ähnliches wie eine Hochzeit ist und ein Orden eine ziemlich große Familie darstellt, hatten wir eine ganz ordentliche Party zu bewältigen. Der Kern und Höhepunkt war natürlich die Liturgie. Leider habe ich davon noch keine Bilder, denn da hat ein Profi fotografiert, wir bekommen sie erst noch. Hier links ist nur die Probe zu sehen: "Wie lege ich mich in die Venia, ohne dass mein Skapulier verknittert?" Das ist gar nicht so einfach! Halb aus Spaß haben sich Tereze und Nellija daneben gelegt. Aber nur halb: schließlich hat dieses Gelübde ja auch damit zu tun, dass man in eine Gemeinschaft aufgenommen wird...
Auch von der anschließenden Gratulation haben wir noch keine Bilder, denn da waren wir Schwestern des Konventes vollauf damit beschäftigt, die etwa 100 Gäste zu bewirten. Das hat gut geklappt und auch Spaß gemacht, aber Zeit zum Knipsen blieb eben nicht. So werde ich mal wieder ein wenig erzählen, was passiert ist, bevor und nachdem der offizielle Fotograf kam...
Zuerst mal ist unsere Generalpriorin Sr. Sara angereist. Sie hat die Profess abgenommen ("In deine Hände, Sr. Sara, verspreche ich..."). Aber sie hat auch vorher mit Diana gesprochen - das ist ja schließlich nicht irgendeine Zeremonie - und sie hat unendlich viel mit angepackt. Darum habe ich von ihr auch nur ein Bild in der Küche gefunden - beim Abtrocknen! Hier steht sie rechts neben Sr. Nellija, die in diesen Tagen das organisatorische Oberkommando hatte.
Mit ihr zusammen kam Hannah, die bis vor einem Jahr noch hier gelebt hat. Sie hat den Blumenschmuck gemacht und viel gute Laune reingebracht, sozusagen den "Betriebsstoff", mit dem alles etwas leichter läuft.
Und schließlich kamen nach und nach zehn Schwestern aus Deutschland und den Niederlanden an. Mehr Platz zum Übernachten haben wir in unseren Gästezimmern nicht, außerdem ist die Reise ja weit. Bei einer Profess in Deutschland reist natürlich praktisch die ganze Kongregation an.
Es ist interessant, wenn die Zahl der Gäste die der Konventsschwestern so sehr übersteigt. Einerseits macht das plötzlich sehr viel Arbeit, andererseits helfen aber alle nach Kräften mit, was auch vieles erleichtert.
Und für unsere Gemeinde war es einfach nur faszinierend, so viele Schwestern zu sehen. Sie kennen uns sonst ja nur in homöopathischer Dosis.
Beim Festgottesdienst war die Kirche übervoll. Die Gratulation konnte draußen stattfinden, weil wir einen strahlenden Himmel hatten, und sogar zur Vesper sind noch sicher 20 Leute geblieben.
Danach hieß es aufräumen und schließlich konnten wir vier uns in die Klausur zurückziehen und noch ein bisschen Rekreation halten - also von all dem erholen und zu Atem kommen. Vor allem Diana und Nellija hatten noch gar nichts gegessen, aber wir hatten vorsorglich etwas vom Buffet reserviert. So haben wir noch recht lange entspannt zusammen gesessen.
Es war einfach schön, wie sich Diana freute, als sie dann endlich (!) ihre Torte bekam!

Freitag, 26. August 2011

Aufbruch



In der letzten Zeit kam ich gar nicht mehr dazu, hier von mir zu schreiben. Zum einen, weil sich so viel getan hat, zum anderen, weil manche Informationen erst bei meinen Schwestern ankommen sollten, bevor ich hier im Internet öffentlich darüber schreibe.

Ich erinnere mich noch sehr genau an jene schlaflose Nacht vor genau zwei Jahren, in der ich bei der Lektüre des „grünen“ Buches über P. Lataste über ein Zitat von ihm gestolpert bin, das mich nicht mehr losgelassen hat. P. Lataste ringt zu diesem Zeitpunkt um seine Berufung, er überlegt, ob er ins Kloster gehen soll:

Bin ich zum Ordensleben berufen?
Kann ich ein solches Leben aushalten? Ich kenne es ja überhaupt nicht. Ich habe immer nur ein paar Tage oder Stunden im Kloster gelebt. Da habe ich mich sehr wohlgefühlt, aber wie wird es sein, wenn ich dieses Leben immer führen muss? Woran kann ich erkennen, ob ich berufen bin?
Pater Chevalier hat gesagt, das muss man ausprobieren, einen anderen Weg gibt es nicht. Dafür ist das Noviziat da. - Und Pater Chevalier hat gesagt: Wenn Gott jemanden beruft, gibt er ihm auch die Gnade, dieser Berufung entsprechend zu leben. Auf diese Gnade muss man vertrauen.
Die Leute sagen: Das Leben im Kloster ist hart und schwer. - Aber ist nicht jedes Leben hart und schwer, ja unmenschlich, wenn man nicht dazu berufen ist? Wenn es den eigenen Veranlagungen und Begabungen nicht entspricht? Wenn aber jemand zum Ordensleben berufen ist, fällt ihm dieses Leben leicht, dann macht ihn gerade ein solches Leben glücklich und frei zum Dienst am Nächsten, zum Dienst vor Gott.
Ja, ich glaube, der Prior hat recht, das muss man ausprobieren. Ich weiß nicht, ob Gott will, dass ich ein Ordensmann werde; aber er will, dass ich es versuche. Da bin ich ganz sicher. Wenn ich jetzt seinem Ruf folge, wird Gott weiter zu mir sprechen. Ich muss nur gut zuhören.“

Ich fand mich in diesen Überlegungen wieder. Damals war ich mit genau derselben Frage für ein paar Wochen nach Bethanien gekommen. Und mir wurde immer deutlicher bewusst, dass ich den nächsten Schritt tun musste. Ich habe mich schließlich auf den Weg gemacht, habe es ausprobiert. Es gab Phasen, in denen ich mir ganz sicher war, dass Gott will, dass ich in Bethanien lebe, dass genau das meine Berufung ist. Und doch gab es auch immer wieder Zeiten des Zweifels, des Infrage-Stellens, Zeiten, in denen ich mir nicht mehr sicher war, was Gott mit mir vor hatte oder in denen ich nicht mehr wusste, was ich selbst wirklich wollte. Die Kandidatur und das Postulat dienen genau der Klärung dieser Frage. Ja, beim Postulatsbeginn hatte ich meine Bereitschaft erklärt, mich zu prüfen und prüfen zu lassen, ob ich zu einem Leben in der Gemeinschaft der Dominikanerinnen von Bethanien berufen bin. Und – wie es auch P. Lataste sagt – in dieser Phase ist es ganz besonders wichtig, auf die leise Stimme Gottes in uns zu hören, mit IHM im Gespräch zu bleiben und SEINEM Ruf zu folgen. In den letzten Monaten war das manchmal sehr schwierig, inmitten des Prüfungsstress IHM wirklich zuzuhören – aber ich habe ganz deutlich gespürt, dass ER mir etwas zu sagen hat. Und ich habe mich sehr auf meinen Urlaub gefreut, darauf, endlich Zeit für IHN zu haben, zur Ruhe zu kommen und auf IHN hören zu können. Und doch war das, was ER mir zu sagen hatte, so ganz anders als ich erwartet hatte. Doch Schweige-Exerzitien brachten mir eine Klarheit, mit der ich nicht gerechnet hatte, zumindest nicht so schnell: Nein, ich bin nicht zum Ordensleben berufen. Ich liebe Bethanien und Bethanien ist und bleibt meine Spiritualität. Bethanien wird immer einen wichtigen Platz in meinem Herzen und in meinem Leben haben, aber das ist nicht die Lebensform, zu der ich berufen bin. Diese Erkenntnis ist zugleich schmerzhaft und befreiend. Es tut weh, so viele geliebte Menschen zurück zu lassen, es ist nicht leicht, den eigenen Lebensentwurf wieder über Bord werfen zu müssen und sich ganz neu zu orientieren. Aber es erfüllt mich auch mit großer Freude und Dankbarkeit, dass ich nun mehr Klarheit habe, dass ich diese wichtige Frage jetzt endlich beantwortet habe, und dass ich in Bethanien leben durfte. Und es war genau richtig, dieses Leben in Bethanien auszuprobieren, es war genau das, was Gott von mir wollte. Es war eine Zeit, die für mich kostbar und wertvoll war, in der ich mich selbst besser kennen gelernt habe und dem, was Gott mit mir vor hat (oder eben auch nicht) immer mehr auf die Spur kommen konnte. Trotz allem, was manchmal auch schwierig war, was nicht meinen Vorstellungen und Wünschen entsprach, kann ich insgesamt nun sehr zufrieden und versöhnt auf diese Zeit zurückblicken: Mit der gleichen Haltung mit der Gott – so wie uns der erste Schöpfungsbericht erzählt – auf sein Schöpfungswerk schaut: Und Gott sah, dass es gut war.

DANKE!

Donnerstag, 25. August 2011

WJT Nachtrag: Die dominikanische Familie

Nun habe ich einige Details der Reise erzählt - und dabei fast den roten Faden vergessen!
Von Anfang an wollte ich eine dominikanische Reise - und das ist es auch geworden. Wir haben bei der dominikanischen Familie in Spanien Kontakt gesucht und um ein Quartier gebeten - und nicht nur eine unschlagbare Unterkunft mit Familienanschluss und Notfallhilfe bekommen, sondern auch ein Programm mit den dominikanischen Aktivitäten beim WJT: ein Film über Dominikus, eine Performance zu Katharina von Siena, eine Messe, eine Fiesta usw.
Außerdem sind uns in den Straßen natürlich immer wieder Dominikaner/innen über den Weg gelaufen. Manchmal haben wir uns nur von ferne gegrüßt, manchmal auch angesprochen, wenn Zeit war (sehr ergiebig: Warteschlangen vorm Klo!).
Auf diese Weise habe ich an Dominikanern kennengelernt oder wiedergetroffen: Sr. Rosaria, Sr. Gracia, Sr. Aurelia und ihren Konvent aus Spanien (denen ich ein riesiges Dankeschön sage!); P. Athanasius und eine Mitschwester aus China; Philipp mit seinem Noviziat und Frank aus Deutschland; Katharina aus Norwegen; Sr. Odile und ihre Mitschwestern aus Benin; eine Schwester aus Oregon, ein Mitbruder aus New York; P. Muhannad mit seinen Jugendlichen aus dem Irak - und viele, viele mehr.
Besonders über das Treffen mit Muhannad habe ich mich gefreut. Ich bete oft für die Christen im Irak, die furchtbar leiden. Er hat mir jetzt gesagt, dass zumindest die dominikanischen Brüder und Schwestern im Moment einigermaßen sicher sind. Er hat sich für das Gebet bedankt: "We need it!"
Es ist schön, Familie in der ganzen Welt zu haben!

Mittwoch, 24. August 2011

WJT 5: Meister Eckehard und die memory card

Da sind wir also wieder zu Hause. Am Sonntag noch die Messe mit dem Papst, dann fröhlich zum Kloster zurückgeströmt, erstmal duschen. Die Jugendlichen hatten noch Kraft für einen lustigen Abend, ich bin lieber im Haus geblieben. Am Montag hatten wir noch einmal Messe mit der kleinen Gruppe aus China, die ebenfalls im gleichen Kloster untergebracht war. Abends sind wir nach Charleroi geflogen, haben dort auf dem Flughafen übernachtet und sind gestern morgen in Riga gelandet.
Es war alles in allem eine tolle Woche, voller positiver Eindrücke und interessanter Begegnungen. Klar, es gab auch Unschönes und Pannen, und zwischendrin wurde mir klar, dass ich eigentlich gar nichts von Madrid sehe. Aber die Stimmung in der Stadt war so schön, dass sie mich für alle Paläste und Kathedralen entschädigt hat.
Nun kann ich zwar viel erzählen, aber so ein Blog wird ja eigentlich durch Bilder erst richtig interessant. In diesen Beiträgen fehlen Bilder fast völlig, auch wenn ich jetzt nachträglich noch ein paar einfüge. Das liegt daran, dass ich zuerst keine Möglichkeit hatte, Bilder hochzuladen - und später die memory-card meiner Kamera verloren habe. Keine Bilder, von der ganzen Fahrt nicht! Genauer gesagt nur etwa ein Dutzend, die ich auf einer kleinen Zusatzkarte noch habe.
Einige Situationen haben andere auch festgehalten, die bekomme ich wahrscheinlich also noch. Andere habe nur ich erlebt oder geknipst, diese Bilder sind weg. Eigentlich finde ich das schon ziemlich schade, aber ich merke, dass ich mich nicht sonderlich aufrege. Ich habe mich rechtzeitig an Meister Eckehard erinnert. Dieser mittelalterliche dominikanische Mystiker hat uns gelehrt, dass wir nichts festhalten sollen. Wir müssen alles lassen, nicht einmal Gott sollen wir festhalten. Na ja, dann wird das ja wohl auch für so ein paar kleine Bilder gelten, oder?
Nur die eine Aufnahme, wie die Brüder aus dem Mainzer Noviziat im Habit Limbo tanzen - das ist schon ein echter Verlust!!! ;-)

Sonntag, 21. August 2011

WJT 4: Picknick beim Papst

Heute nacht gab es eine Premiere. Ich habe zum ersten Mal in meinem Leben ueberhaupt unter freiem Himmel uebernachtet - und dann auch noch in Habit! Aber der Reihe nach:
Wir haben uns gestern mittag auf den Weg zum Flughafengelaende "Cuatro Viento" gemacht. Abends um 20:30 sollte da die Vigil mit dem Papst sein, ab 16:00 sollte man sich auf dem Gelaende einfinden. Wir waren um drei an den Bussen, um halb vier am Eingang, um halb fuenf an unserem Feld "C4". Da war es schon so voll, dass die Ordner uns nicht mehr reinliessen.

Irgendwann haben wir unsere Isomatten dann doch in C4 ausgebreitet, jedenfalls soweit es ging. Dazwischen lagen die Abspaltung einer kleineren Teilgruppe, eine Umsiedlung in ein anderes Feld, die Vertreibung aus demselben mittels Polizei, Traenen, viel Schweiss und die erfolglose Suche nach einem Erste-Hilfe-Punkt wegen dreier drohender Hitzschlaege.

Als wir dann schliesslich doch alle sassen und irgendwie auch an Wasser gekommen waren, ging es schon besser. Ploetzlich fiel uns ein: wir haben seit dem Fruehstueck nichts gegessen. Also zu viert auf zur Futterstelle um unsere Marken einzutauschen. Wo ist das?

Die erste Auskunft aller Volontaere: Das ist weit! - und das war es dann auch. Als wir ankamen, kamen wir sofort an die Reihe und eine sehr nette Volontaerin gab uns ein Paket, obwohl wir dafuer nicht den richtigen Bon hatten. Dann zogen wir schwer bepackt (in dem Picknick waren eine Menge toller dinge drin: vom Mittagessen am Samstag bis zum Sonntag alle Mahlzeiten)wieder "heim". Inzwischen hatte die Vigil begonnen - und es fing an zu regnen!

Die ganze Woche kein Tropfen Regen, und jetzt begann es zu stuermen und zu regnen, dass es eine Wonne war. Wir sicherten rasch Fresspakete und Schlafsaecke und stellten uns eng zusammen. Als wir wieder nach vorne gucken konnten, sahen wir auf den grossen Leinwaenden nicht etwa Papa Benedetto... sondern nur einen grossen weissen Schirm, den jemand tief ueber seinen Stuhl hielt. Die Vigil wurde dann unterbrochen. Spaeter haben sie nochmal einen Versuch gestartet, aber ich vermute, dass sie ohne Regen doch wesentlich laenger gewesen waere.
Rechtzeitig zum Schlafengehen waren wir dann wieder trocken, jedenfalls so einigermassen.
Am naechsten Morgen kamen Durchsagen, der Sturm habe einige der Zelte zerstoert, die fuer die Kommunionausteilung gedacht waren. Deshalb wuerden nicht alle die Kommunion empfangen koennen. Fuer uns war das die noch fehlende Entscheidungshilfe: wir gingen nach dem Friedensgruss direkt raus.
... und landeten in einem schon recht beachtlichen Strom von Pilgern, die alle die gleiche Idee gehabt hatten. Wir kamen gut durch, ohne uebermaessiges Gedraenge und waren nach 2 Stunden wieder im Quartier.

Gerne haette ich mehr ueber die schoene Messe geschrieben, aber das kann ich leider nicht. In vielen Momenten, die haetten schoen sein koennen, war ich mit anderem beschaeftigt. (Dann fragte z.B. gerade einer der Jugendlichen, ob er mal eben aufs Klo kann - und ich versuche ihm zu erklaeren, dass waehrend der Messe die Wege zum Teil gesperrt sind.) Und wenn ich mich dann endlich mal auf den Gottesdienst konzentrieren konnte, waren wir gerade bei der spanischen Predigt... Am schoensten war vielleicht, dass der Chor gesungen hat "Here I am, Lord". Da waren wir schon auf dem Weg nach draussen, beruehrt hat es mich trotzdem.

Wahrscheinlich ist das sogar das eigentliche Erlebnis eines solchen Treffens: sich von Gott finden und treffen zu lassen, wo immer Er mir auch begegnen will, ob in einer kleinen stillen Kapelle oder inmitten des groessten Gewuehls.

Samstag, 20. August 2011

WJT 3: Murgs oder 21 Floehe

"Murgs" ist das lettische Wort fuer Albtraum. Mein persoenlicher Murgs dieser Reise heisst "Atocha". Das ist eine Metrostation, an der wir uns am Mittwochabend verabredet hatten. Wir wollten nach einigen Stunden Freizeit in kleinen Gruppen alle gemeinsam essen gehen, anschliessend auf die dominikanische Fiesta und dann zusammen nach Hause fahren.


Als ich um 20:30 in Atocha ankam, erwarteten mich da genau 2 von 22. Einige hatten schon gesmst, dass sie nicht rechtzeitig da sein koennen. Andere blieben einfach verschwunden und es war auch sofort klar wieso: Atocha ist riesig! Allein die Metrostation hat drei Ausgaenge, aber es gibt auch noch einen Bahn- und einen Busbahnhof, durch die man rauskommen kann.


Nach einer halben Stunde hatten wir mit viel Hin- und Hertelefoniererei den Grossteil der Gruppe zusammen. Drei Maedchen hatte ich intensiv gesucht, bis klar war: sie sind ueberhaupt nicht in Atocha! Sie sind irgendwo im Park de Retiro, nebenan, keine Ahnung, wieso sie so weit vom Weg abgekommen sind. (und das ist jetzt nicht moralisch gemeint!) Als wir die drei schliesslich aufgegabelt hatten, war es 22:00. Einen Teil der Gruppe hatten wir schon nach Hause geschickt, die waren einfach nur noch fertig gewesen. Es war inzwischen dunkel, wir waren hungrig - und 5 zum Glueck Erwachsene fehlten immer noch. Als die sich meldeten, sie seinen der Heimfahrergruppe in die Arme gelaufen und haetten sich ihnen angeschlossen, hatten wir Uebrigen die Wahl: ebenfalls frustriert nach Hause fahren oder doch noch zur Fiesta gehen, wenigstens fuer eine halbe Stunde.


Wir haben uns fuer das zweite entschieden - und es nicht bereut! (siehe unten)


Heute habe ich dann einige von den 21 Floehen, die ich hueten muss und die besonders leicht weghuepfen, an die kurze Leine genommen. Ein komisches Gefuehl, aber ich glaube, eine Grossstadt wie Madrid kann auch eine Ueberforderung sein.


Jetzt ist es 0:50, der 21. Floh ist gerade ins Haus gehuepft - mit nur 50 Minuten Verspaetung. Deshalb geh ich jetzt unter die Dusche und dann ins Bett. Gute Nacht allerseits!


P.S.: Ich liebe meinen Job!

Donnerstag, 18. August 2011

WJT 2: Demo pro und contra

Gestern habe ich geschrieben, wie freundlich und begeistert hier alle aufeinander zugehen. Stimmt auch, habe ich heute wieder erlebt. In der U-Bahn stand ich neben einem WJT-Pilger, auf dessen Shirt "Korea" stand. "Du bist aus Suedkorea?" "Ja, und Du?" Schon waren wir im Gespraech. Der daneben hatte auf seinem Shirt "Trinidad-Tobago" stehen: "Wow, das ist aber ein weiter Trip!" Sage ich zu den beiden. "Ja" lachen sie. "16 Stunden Flug" sag Leo, der Koreaner. "Aber das ist es wert!" schwaermt der andere. Dann kommt seine Station und er ruft durch den ganzen Waggon: "Trinidad-Tobago: alle aussteigen!" Wir verabschieden uns mit einem Laecheln: "God bless You!" Diese Momente machen den Weltjugendtag fuer mich so reich.
Allerdings gibt es auch andere Erfahrungen. Gestern bin ich in eine Demonstration gegen die Kirche geraten. Ich wollte noch ausweichen, es ging aber nicht mehr. Ich im vollen Ornat. Zuerst fand ich das noch lustig, aber die Demonstranten waren teilweise doch sehr aggressiv. Nun kann man ja einiges gegen die katholische Kirche vorbringen, aber "Vatikano - Guantanamo"? Na ja... Jedenfalls haben wir dann heute morgen im Gottesdienst eine spontane Gegendemo veranstaltet. Alle Jungen skandieren "Jesus!" und die Maedchen antworten "Christus!" Und das dreimal hintereinander, aber laut! Klang gut! Diese "Lobpreis-Gottesdienste" sind immer recht charismatisch angehaucht, mit einer laengeren Predigt, heute und morgen durch einen Bischof. Anschliessend ist noch Messe.
Nun ist es leicht, in der Kirche fuer Jesus zu demonstrieren, aber die Demo fuer die Kirche und den Papst, die fand dann Nachmittags draussen statt. Und - es tut mir leid, das sagen zu muessen - aber gegen hundertausende von fahnenschwenkenden, singenden und lachenden Jugendlichen konnte die kleine Gegendemo nicht anstinken. Wie Guantanamo-Haeftlinge sahen die jedenfalls nicht aus.
Ach, ich wollte ja noch von der dominikanischen Fiesta erzaehlen. Die dominikanische Familie ist hier in Spanien sehr aktiv und so haben sie auch beim WJT einige Angebote: Gebete, Konzerte, ein Film ueber Dominikus, eine Performance zu Katharina von Siena und gestern abend eben eine "Fiesta". Nun weiss jeder, dass eine Fiesta ein Fest ist, aber was genau sich hinter "Fiesta OP" verbirgt, konnte keiner wissen. Wir waren eigentlich schon ziemlich kaputt und frustriert und sind nur noch hingegangen, weil wir uns das halt vorgenommen hatten. Lust hatten wir laengst keine mehr. Und dann kamen wir nach kurzem Suchen in den Hof des dominikanischen Seminars. Schon von weitem hoerte man die Musik. Drinnen traf ich direkt ein paar Brueder und Schwestern, die ich kannte. Die Maedels liefen weiter nach vorne, wo alles wild tanzte. Als wir kamen, waren sie gerade beim Limbo. Also, wo man zurueckgebeugt unter einer Schnur oder Stange durchmuss. Das Noviziat der Brueder war echt super! Und das in Habit! Ich liefere die Bilder nach, im Moment kann ich keine Bilder hochladen.
Zu Hause waren wir dann etwa um 1:00, die Musik noch in den Ohren, die Bilder im Kopf. Mein Fazit: Schau mal an, so verkopft sind wir Dominikaner gar nicht. Wir koennen auch anders! Limbo!

WJT 1: Endlich da!

Kaum zu glauben: wir sind in Madrid! Mit 11 Jugendlichen und 10 jungen Erwachsenen bin ich vorgestern hier angekommen. Leider habe ich hier in Madrid Schwierigkeiten, Bilder ins Netz zu stellen, deshalb kann ich es nicht illustrieren sondern nur beschreiben: wir haben fuer die Hinreise am Montag ueber 14 Stunden gebraucht, hauptsaechlich, weil wir in Charleroi (bei Bruessel) einen 6-stuendigen Aufenthalt hatten. Der erste Tag bestand also hauptsaechlich aus Warten.
Am Dienstag sind wir dann schon ganz in das WJT-feeling eingetaucht, spaetestens beim Eroeffnungsgottesdienst am Abend auf der Plaza de Cibeles. Ein Fahnenmeer! So viele Menschen aus so unterschiedlichen Laendern und alle lachen sich freundlich an und werden ploetzlich still um miteinander zu beten!
Eine aus der Gruppe hat angefangen, Fahnen zu sammeln, fotografisch. Wir sind einfach auf die Jugendlichen zugegangen, "Hola!", wenn wir die Fahne nicht kannten, haben wir gefragt, woher sie kommen und dann haben wir uns zusammen fotografiert. Unglaublich, wenn man so alles kennenlernt! Singapur, Korea, China, Nigeria, Oregon, Kanada, Kenia - und sogar Deutsche! Jede Menge sogar. Sehr lustig, wie begeistert man wildfremde Landsleute begruesst, wenn man weit weg der Heimat aufeinandertrifft... Und immer wieder Leute, die deutsche Wurzeln oder in der Schule deutsch gelernt oder mal in Deutschland gelebt haben... Sie alle, alle reden einen freundlich an, und freuen sich ueber diesen netten Zufall.

Fortsetzung folgt, dann erzaehle ich auch von der Fiesta OP, auf der wir eben waren...

Mittwoch, 10. August 2011

Torte zum Fest

Vorgestern haben wir das Fest des Heiligen Dominikus gefeiert. Aus diesem Anlass hatten wir beschlossen, eine kleine Torte zu kaufen. Man muss das Feiern ja nicht auf die Kapelle beschränken...
Ich bin also einkaufen gefahren. Normalerweise laufe ich, aber diesmal brauchten wir Mineralwasser und Kartoffeln, also musste ich einmal das Auto nehmen. Und wie das dann immer so ist: "Ja, wenn ich grad mal mit dem Auto da bin, da könnte ich doch..." Schwups war der Einkaufswagen voll mit lauter Sachen für den Vorratsschrank.
Plötzlich - ich war schon fast auf dem Weg zur Kasse - fiel mir siedendheiß ein: "Du hast das Haushaltsportemonnaie vergessen!" So ein M...! Mein eigenes hatte ich dabei - aber nur noch 20 Lat drin, genauer gesagt... 22 Lat... und ... 87 Centime.
Keine 30 € und der Einkaufswagen voll! Also musste ich anfangen, genau zu rechnen, was das alles so kosten würde. Schnell war klar: das könnte knapp werden! Ich dachte: "Ich versuche es. Ich geh an die Kasse und lass eine Zwischensumme machen, was zuviel ist, bleibt hier."
Also: Prioritäten setzen: Was muss auf jeden Fall mit? Klar: Wasser und Kartoffeln. Brot. Das kommt zwar in die Tiefkühltruhe, war aber ein Sonderangebot, usw. Schließlich hatte ich alle Sachen im Wagen durch. Eigentlich war nichts Überflüssiges drin, bis auf eine Melone und die Dominikustorte. 3,- Ls das eine, 2,48 Ls das andere, beides Luxus.
Sofort war klar: Die Torte muss mit! Sie ist ungesund und etwas mickrig für ein Hochfest, aber ohne Torte geht gar nicht. Also kam die Melone als Letztes auf das Kassenlaufband. Zwischensumme vor Melone... 13,54 Ls! Na also, dann darf sie doch noch mit!
Es war ein lustiges Kaffeetrinken, mit Kaffee, Torte und der Geschichte von der schusseligen Schwester.

Freitag, 5. August 2011

Realität statt Event

Kürzlich wurde ich von Bekannten zum Essen in ein erlesenes Restaurant eingeladen. Es war wohl nicht so sehr das für eine Ordensfrau doch ungewohnt luxuriöse Essen, das bei mir einen faden Nachgeschmack hinterlassen hat. Es war der Ort, an dem dieses Mahl stattfand: ein ehemaliges großes Gefängnis, das inzwischen unter Denkmalschutz steht und nun von einer Hotelkette zu einem Eventhotel umgebaut wurde.

Unser Gründer, P. Johannes Josef Lataste, erfuhr seine Berufung zur Gründung unserer Kongregation in einem Frauengefängnis. Er traf dort Frauen, die schwere Verbrechen begangen, aber durch die Gnade Gottes doch eine Bekehrung vollzogen hatten. In der Beichte durfte er ihnen göttliche Vergebung zusprechen. Aber er wurde auch hart mit der Hoffnungslosigkeit der Frauen konfrontiert, die nach der Entlassung aus dem Gefängnis gesellschaftlich keine Chance mehr hatten. Das wollte er ändern: er gründete eine Ordensgemeinschaft, in der Frauen, unabhängig von ihrer Vergangenheit, als Schwestern miteinander leben konnten - die Dominikanerinnen von Bethanien.

P. Lataste hatte erlebt, dass ein Gefängnis alles andere als ein Hotel ist, von Luxus ganz zu schweigen. Die Realität ist viel härter als jedes Event! Das kann auch die noch so großartig umgebaute Gefängniszelle letztlich nicht kaschieren. Wer glaubt, auf diese Weise "Gefängnis erfahren" zu können, hat sich gründlich geirrt und nimmt denen, die an diesem Ort gelitten und gebüßt haben, letztlich ihre Würde.

Wir leben in einer "Zweite - Hand - Welt", in der wir die echten Erfahrungen anderen überlassen und glauben, durch Eventhotels, Realityshows und Autobiographien an diesen Erfahrungen teilhaben zu können. Aber wer es nicht wagt, selbst ins Leben einzutauchen, der wird letztlich das Leben mit dem seinem ganzen Reichtum von Schmerz, Leid, Schuld, Vergebung, Liebe und Versöhnung schlicht verpassen.

Sr. Sara Böhmer OP, Thorn