Dienstag, 15. Juli 2014

Demokratie auf anglikanisch

Jetzt haben sie es also endlich geschafft: mit 351 Ja- zu 72 Nein-Stimmen hat die anglikanische Kirche von England Frauen auch zum Bischofsamt zugelassen (bei 10 Enthaltungen).
Bildquelle: de.radiovaticana.va
Priesterinnen haben sie schon lange. Und interessanterweise gibt es in vielen anderen anglikanischen Kirchen (USA, Australien, Neuseeland, Kanada) teilweise schon seit den 80er Jahren auch schon Bischöfinnen. Kein Wunder also, dass in England manche ungeduldig wurden. (Andere anglikanische Kirchen der Welt haben noch nicht einmal Priesterinnen, aber das nur in Klammern.)
Ich persönlich bin da leidenschaftslos. Ich bin ja katholisch, es ist also nicht mein Problem. Allerdings scheint es mir logisch, dass man Frauen, wenn man sie schon zum Priestertum zulässt, dann auch die höheren Weihen ermöglicht, nicht nur die niederen. Aber wie gesagt: ich betrachte das aus der Distanz.
Weshalb ich trotzdem darüber schreibe?
Weil mich eine Sache daran dann doch aufregt.
Da wird über diese Frage abgestimmt. Auf einer Synode. Es gibt drei Kammern, die stimmberechtigt sind: Die Geistlichen inklusive Bischöfe, die Vertreter der 44 Diözesen und die Laien. Das finde ich demokratisch im echten Wortsinn: Das Kirchenvolk wählt seine Abgesandten und die bestimmen stellvertretend über die wichtigen Fragen. Ist es nicht genau das, was in der katholischen Kirche oft vermisst wird? Wie sehr wünschen wir uns, dass bei uns mal gefragt würde, ob das Kirchenvolk Priesterinnen haben möchte oder ob die Priester eigentlich noch den Pflichtzölibat wollen. Keine Chance: die katholische Kirche ist eben nicht demokratisch organisiert. Mit Blick auf die Anglikaner in England könnte man also schon ein bisschen neidisch werden, die sind uns echt voraus...
2012, also gerade mal vor zwei Jahren, waren bei denen die Geistlichen und 42 der 44 Diözesen für die Zulassung der Frauen zum Bischofsamt. Interessanterweise waren ausgerechnet die Laien dagegen. Wenn auch mit knapper Mehrheit. Damit war das Ganze abgelehnt. Mehrheit ist Mehrheit, auch wenn sie knapp ist und von den Laien kommt. Das ist eben Demokratie.
Das schmeckt uns aufgeklärten, modernen Menschen natürlich nicht. Wie kann man Frauen eine Entwicklungsmöglichkeit und ein höheres Amt vorenthalten?! Das ist doch mittelalterlich!!! Damit machen wir uns lächerlich vor der Welt!!! - solche Kommentare gab es von Seiten der anglikanischen Bischöfe damals und heute.
Was ist da zu tun?
Ganz einfach: wir wiederholen die Abstimmung, falls nötig so lange, bis uns das Ergebnis gefällt. Zwei Jahre später, 2014, haben sie dann alle Abweichler überzeugt und die Synode bringt das gewünschte Ergebnis. 
Plötzlich schwindet mein Respekt vor der anglikanischen Kirche und ihrer demokratischen Verfasstheit. Ja, das Kirchenvolk darf mitbestimmen. Aber nur, solange es das will, was die Bischöfe wollen und solange es in den Zeitgeist passt. Wenn das Volk konservativer ist als die Geistlichen, wenn das Volk die Modernisierung der Kirche bremst, dann wird eben nachgeholfen. Manchmal muss man die Menschen eben zu ihrem Glück zwingen. Offenbar auch in einer Demokratie. Haben uns die Anglikaner wirklich etwas voraus? Ich bin mir nicht mehr so sicher...

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