Donnerstag, 31. Juli 2014

Selbst schuld?

Im Moment ist viel von den verfolgten Christen die Rede - endlich! Wer sich für das Thema interessiert, der weiß, dass wir schon lange eine weltweite Christenverfolgung erleben, die schlimmer ist als alles, was die Geschichte bisher zu bieten hatte. 100 Mio Christen wurden im vergangenen Jahr wegen ihres Glaubens verfolgt, am schlimmsten ist es in Nordkorea.
Ausgebombte Kirche im Irak
Bildquelle: faz.net © Getty Images
Jetzt schafft es das Thema bis in die säkularen Medien, weil die Kämpfer der ISIS im Irak so massiv vorgehen, dass man von religiösen Säuberungen sprechen kann. Wer nicht zum Islam konvertiert, muss eine hohe Kopfsteuer bezahlen oder wird umgebracht. Dabei sind die Islamisten nicht zimperlich: Kreuzigungen sind durchaus eine mögliche Hinrichtungsart.
Wenn ich über dieses Thema schreibe, dann versuche ich immer, fair zu bleiben. Ich schätze den Islam. Es ist eine Religion der Barmherzigkeit, die große Kulturen hervorgebracht hat. Jetzt diesen Niedergang zu sehen, tut weh. Ihn zu verallgemeinern wäre fatal!
Trotzdem muss man die Dinge beim Namen nennen: In Iraks zweitgrößter Stadt Mossul gab es 1.800 Jahre lang immer Christen. Jetzt nicht mehr.
Und dann sagt mir in einer Diskussion auf Facebook jemand, ich solle vorsichtig sein mit meinem Urteil über diese Vertreibungen. In den heute christlichen Ländern hätten ja vorher auch Menschen anderer Religion gelebt - "wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen..."
Da musste ich doch mal kurz schlucken.
Zur Erinnerung: Die Diskussion ging aus vom Irak. Dort verlief die Christianisierung absolut friedlich (ähnlich übrigens in Syrien und Ägypten, wo die Islamisten momentan ja ähnlich stark wüten). Damals, 200 Jahre nach Christus, hatten die Christen ja keine Macht, sie waren eine unbedeutende Sekte, häufig selber verfolgt. Im Nahen Osten wurde das Christentum also einfach durch Werbung und Zeugnis ein fester Bestandteil der Kultur - und zwar mehrere Jahrhunderte (!), bevor Mohammed seinen ersten Atemzug tat, geschweige denn irgendjemand auf die Idee kam, ihn den Propheten zu nennen.
Ja, es stimmt, in Deutschland sieht es anders aus: Der Hl. Bonifatius hat z.B. den armen Germanen ihre dem Gott Donar geweihte Eiche gefällt und damit eine Kirche gebaut. Das war nicht nett von ihm. - Es ist aber auch schon 1.300 Jahre her. 
Und ja, auch das stimmt: die christliche Mission war v.a. in Lateinamerika und Afrika durch die Jahrhunderte hinweg immer wieder ziemlich unschön. (In Asien gibt es auch positivere Beispiele, Korea, die Jesuiten...) Ich will mich jetzt nicht in historischen Details verlieren, aber ich bin mir der Schuld meiner Kirche durchaus bewusst.
Und jetzt sehe und lese ich die Berichte der im Jahr 2014 zu Tode gefolterten Christen, der niedergebrannten Kirchen und all der Vertriebenen und soll mir sagen: "Selbst schuld? Haben wir ja früher auch gemacht"?????
Nein!
Ich denke, wir haben aus unserer schuldvollen Geschichte gelernt. Wir leben nicht mehr im Mittelalter, glauben nicht mehr, dass wir allein wissen, wie unsere Seelen zu retten sind. Zwangstaufen? Zerstörung nichtchristlicher Heiligtümer? Völlig undenkbar! Diese Entwicklung verdanken wir der Aufklärung.
Der Islam hat keine Aufklärung erlebt, und damit auch keine erzwungene Trennung von staatlicher und kirchlicher Macht. Das macht ihn für viele moderne Menschen so schwer verständlich. Doch auch im Islam gibt es liberale Kräfte, die eine Aufklärung anstreben. Ich hoffe sehr, dass sie sich durchsetzen werden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.