Dienstag, 8. April 2014

Urlegende regenbogenfarben

Noch einmal muss ich über "Noah" schreiben. Dieser Film beschäftigt mich.
In der Bibel steht die Erzählung doppelt: eine Fassung ist 2.900 Jahre alt, die andere etwa 400 Jahre jünger. Beide Versionen sind im Buch Genesis ineinander verwoben. Es gibt ein paar Unterschiede, aber im Wesentlichen sind sie sich einig: es geht um die Deutung einer Flutkatastrophe (wahrscheinlich in Mesopotamien) als Strafe Gottes für menschliche Schuld. Die wesentlichen Elemente und Aussagen:
1. Die Menschen sind schlecht und Gott beschließt, alles zu vernichten, weil es ihn reut, es erschaffen zu haben. 2. Nur Noah ist gottesfürchtig und findet Gnade. Mit ihm schließt Gott einen Bund. 3. Noah soll eine Arche bauen und folgende Lebewesen vor der Flut retten: von allen Tieren je ein Paar und seine Familie, d.h. sich selbst, seine Frau, seine drei Söhnen und deren drei Frauen. 4. Dann kommt die Flut, vernichtet alles außerhalb der Arche. Nach 40 Tagen geht die Flut zurück. Verschiedene Vögel werden auf der Suche nach festem Land ausgesandt. 5. Als sie welches finden, gehen alle an Land und Gott segnet Noah so, wie er einst Adam und Eva segnete: seid fruchtbar und mehr euch und bevölkert die Erde. 6. Gott verspricht Noah: nie wieder will er die Erde vernichten. Als Zeichen dafür setzt er den Regenbogen in die Wolken.
So wird es seit 2.900 Jahren im Judentum und seit 2.000 Jahren auch im Christentum tradiert.
Seit letzter Woche haben wir ein neues Element in die Legende eingeflochten. Der Kinofilm Noah erzählt uns, dass Noah sich weigert, für seine beiden jüngeren Söhne Frauen zu suchen. Er glaubt, Gott habe auch die Vernichtung des Menschen befohlen. Ob er sich irrt, oder ob Gott seinen Willen ändert, wird nicht deutlich. Dieses Element ist zwar völlig unbiblisch, aber es verschafft dem Film eine Menge zusätzlicher Dramatik. Ob die zusätzlichen Handlungsstränge ein Gewinn sind, sei mal dahingestellt.
Jedenfalls nimmt nur der älteste Sohn Set seine Frau Ila mit, die als unfruchtbar gilt.
Der zweite Sohn Ham findet ein Mädchen, darf sie aber nicht mitnehmen, was ihn dem Vater entfremdet. Und da wird es merkwürdig. Es kommt zu Sätzen wie (Ham zu seinem Vater Noah): "Du willst ja nur nicht, dass ich ein richtiger Mann werde." Später tötet Ham dann einen Feind und dieser haucht mit seinem letzten Atemzug: "Jetzt bist du ein richtiger Mann."  Nach der Flut ist Ham alleine, während Set und Ila, wider Erwarten doch mit Kindern, die Zukunft der Menschheit bauen. Er verlässt die Gruppe mit den Worten "Ich gehöre nicht hierher." und geht alleine in eine ungewisse Zukunft.
Nun ist die biblische Vision, dass die Menschheit aus drei Paaren neu ersteht, zwar genetisch gesehen auch etwas kühn, aber die Bibel ist ja schließlich kein Biologiebuch. Es geht um eine Glaubensaussage: Gott hat unser Leben gewollt und gesegnet, Er hat uns alles Leben auf der Erde anvertraut - und die ganze Menschheitsfamilie gehört zusammen.
Die Filmversion, dass der älteste und der jüngste Bruder, Set und Jafet gemeinsam mit einer Frau Stammeltern der Menschheit werden, ist biologisch betrachtet noch absurder. Also: was will uns der Regisseur sagen? 
Als Noah wenig später einsieht, dass Gott doch den Neuanfang menschlichen Lebens will, bestätigt Gott diese Erkenntnis nicht (wie in der Bibel) mit einem Regenbogen, den er in die grauen Wolken setzt, sondern mit einem Himmel, der von einem Horizont zum anderen vollständig in allen Regenbogenfarben strahlt. Eine Art Wink mit dem Zaunpfahl.
Die Assoziation ist fast zwangsläufig: eine heile Welt der drei Söhne mit ihren drei Frauen zum Schluss wäre heute einfach nicht mehr politisch korrekt. Die Vision des neuen Lebens nach dem Tod, die fast 3.000 Jahre lang tradiert wurde, stimmt heute so nicht mehr. Der Regenbogen steht im Jahr 2014 nicht mehr für das Versprechen Gottes, die Menschheit nicht zu vernichten und seinen Bund mit den Menschen "Seid fruchtbar und vermehrt euch", sondern gleichberechtigt für einen alleinstehenden Mann, dem ebenfalls gesagt wird "bevölkert die Erde".

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