Montag, 2. Mai 2011

Ostalgie

Wir saßen direkt unter dem Hitler-Bild. Ich war auf Stalin und Lenin gefasst gewesen, aber dass sie im "Austrumu robeza" auch eine Büste und ein riesiges Bild von Hitler haben, das hat mich doch umgehauen.
Übersetzt heißt das Restaurant "Zur Ostgrenze" und die lettische Freundin, die es mir gezeigt hat, versicherte mir, dass sich dort in den letzten 20 Jahren nicht viel geändert hat. Die Erinnerung an die gute alte Sowjetzeit wird erfolgreich aufrecht gehalten, in der Raumgestaltung, im abendlichen Bühnenprogramm. Nur die Speisekarte ist dem heutigen Geschmack angepasst: Tagliatelle und Tiramisu gab es in Sowjet-Riga definitiv noch nicht.
Wir haben uns gefragt, wer hier herkommt. Touristen natürlich. Und Russen, die ja 60% der Bevölkerung Rigas ausmachen. Letten dürften wohl eher selten unter den Gästen sein. Die Eltern meiner Freundin beispielsweise würden nie hier herkommen.Sie selber war zur Zeit der "singenden Revolution" der Letten, also der Befreiung von der sowjetischen Besatzung, aber erst 1 Jahr alt. Für sie ist diese "Ostalgie" nicht so schlimm, sie hat mehr Distanz.
Mit ihr spreche ich oft über ihr Land und ihr Volk und wie die wechselnden Besatzungen sie geprägt haben. Sie kennt das alles aus eigener (Familien-)Erfahrung - und gehört doch zur ersten Generation von Letten überhaupt (!) die 20 Jahre in Freiheit und nationaler Selbstbestimmung erlebt hat. Eine Generation, für die Hammer und Sichel nur eine skurrile Deko für die Touristen und die Ewiggestrigen ist.

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