Sonntag, 20. Mai 2012

Katholisch: bunt statt schwarz

Ich liebe die deutschen Katholikentage!
Diese Jugendgruppe "Tabgha" verteilte
Glückskekse mit Bibelsprüchen
Klar, alle Jahre wieder gibt es dieselben Probleme: die einen reisen gar nicht erst an, weil sie schon vorher wissen, dass das alles viel zu progressiv und aufrührerisch wird - und ohnehin nichts bringt. Die anderen veranstalten einen Parallelkatholikentag, wo sie die gleichen Themen zur gleichen Zeit besprechen - nur viel progressiver, offener und kontroverser als auf der spießigen und konservativen offiziellen Veranstaltung.

Rosenkranzknüpfen am Stand
der Dominikanischen Familie
Otto-Normalbeter steht dazwischen, wühlt sich durchs Programm und durch den Mannheimer Stadtplan und kämpft wie jedes Mal mit einer Überfülle an Angeboten und zu langen Wegen.
Aber wenn man das alles mal nicht als Probleme ansieht, sondern ganz neutral, dann kann man entdecken, was Alois Glück, der Präsident des ZDK, zum Abschluss sagte: die Katholikentage zeigen die ganze Vielfalt der Kirche. Er fügte hinzu, das sei eine Bereicherung und keine Bedrohung, und ich finde das auch.

Diese Gruppe möchte möglichst radikal
wie die Urgemeinde leben.
Die ganze Vielfalt der katholischen Kirche...? Interessanterweise ziehen die Katholikentage immer auch jede Menge Propheten anderer Überzeugungen an. Die Ökumene gehört ja fest ins Programm, Juden, Moslems, Orthodoxe - alle offiziellen Religionen sind auch reguläre Gesprächspartner. Darüber hinaus gibt es aber auch noch so viele selbsternannte Heilsbringer, Einzelne, die mit dem Mikro in der Fußgängerzone die Erlösung verkünden, tanzende Urgemeindenimitatoren, singende Apokalyptiker, usw. Das spirituelle Angebot ist riesig.
Zu Hause noch mal in voller Pracht:
das wilde Sammelsurium der Souvenirs
Ich liebe es, bei gutem Wetter über die Kirchenmeile zu bummeln, mir all die offiziellen Stände mit ihren oft gegensätzlichen Angeboten anzusehen und zu hören und zu wissen: unsere Kirche ist reich - reich an Menschen und Ideen. Und sie ist groß, viel größer als die Minigrüppchen der Endzeitpropheten. Eigentlich müsste sie groß genug sein, um gelassen auszuhalten, was sich da alles unter ihrem Namen vereint.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Dinge für wahr nehmen

Unser Kloster und Kinderdorf  in Waldniel liegen in einem kleinen Park. Seit einigen Wochen grünt und blüht es überall kräftig - ich liebe das. In Lettland ist der Frühling viel kürzer, deshalb genieße ich ihn dieses Jahr (zum ersten Mal wieder in Deutschland) ganz besonders. 
Einige der schöneren Stellen habe ich eifrig fotografiert und die Bilder auf Facebook in einem Album zusammengestellt. Es wird oft angesehen - anderen Menschen gefällt unser Park auch. Schön!
Allerdings habe ich irgendwann gemerkt, dass ich nur noch durch die Linse dachte. Alles was ich sah, beurteilte ich sofort danach, ob es fototauglich sei, und ob es wohl in eines meiner Internetalben passen würde. Ist das nicht absurd? Wird denn der Flieder erst als Foto auf Facebook real? 
Natürlich nicht - im Gegenteil! Hier und jetzt, direkt vor meiner Nase ist er, wie er realistischer nicht sein kann. Also habe ich mir eine Fotopause verordnet.- Was für eine Befreiung!
Plötzlich habe ich wieder neu entdeckt (denn eigentlich wusste ich es ja längst), dass es eine unglaubliche Fülle von Schönheiten gibt, die ich gar nicht richtig wahrgenommen hatte. Ich hatte sie frühzeitig aussortiert: "das wird nix" - auf einem Foto, soll das heißen.Aber ohne Foto ist es schon was: der Schmetterling auf dem dürren Busch, das Gänseküken, das sich von den anderen abgesondert hat, die unzähligen, klitzekleinen blauen Blümchen im Moos.
Sobald ich aufhöre, sie in Besitz nehmen zu wollen, kann ich anfangen, sie einfach nur wahr-zu-nehmen. Wahrnehmung heißt, die Dinge aufzunehmen, wie sie sind, ohne sie zu bewerten oder zu verzwecken. Wahrnehmung ist der Anfang aller Meditation. 
Ich werde künftig wieder ohne Kamera durch unseren Park gehen, ich habe jetzt schon gemerkt, dass ich plötzlich beim Betrachten der Knospen an Gott denke - und nicht mehr an mich.

Samstag, 7. April 2012

Die Piraten und die Unterdrückung der Mehrheit

Marina Weisband möchte nicht, dass "der Glaube Einzelner das Leben aller beeinflusst".
Marina Weisband, Chefin der Piratenpartei
Das sagte die Chefin der Piratenpartei im Hinblick auf das karfreitägliche Tanzverbot in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau vom 4. April. "Jeder Katholik kann beten und beschaulich sein. Aber wir möchten nicht, dass deshalb außerhalb ihrer Sichtweite Tanzverbot herrscht" erläutert sie die Postition ihrer Partei weiter.
Nun ist der Karfreitag zwar in erster Linie kein katholischer sondern ein evangelischer Feiertag und die Demos zum Thema "zum Teufel mit dem Tanzverbot" haben keineswegs außerhalb der Sichtweite der Kirchgänger stattgefunden, sondern z.B. in Köln direkt vor dem Dom - sonst hätten sie den Namen Demo ja eigentlich auch nicht verdient - aber wie dem auch sei:
Natürlich lassen wir paar einzelne Christen die Piraten gerne tanzen!
In Köln gab es an Karfreitag 2012 vor dem Dom
den Versuch einer Tanzdemo - die Polizei schritt nicht ein
Nur fände ich es konsequent, wenn sie dann auch vorher arbeiten würden - schließlich ist der Karfreitag nur deshalb gesetzlicher Feiertag, damit die Christen "beten und beschaulich sein" können. 

Und da Frau Weishaupt ja keinen Einfluss des Glaubens Einzelner auf das Leben aller möchte, wird sie gewiss einverstanden sein, wenn auch die anderen christlich motivierten gesetzlichen Feiertage wieder zu Arbeitstagen werden: der Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam, Reformationstag bzw. Allerheiligen und natürlich Weihnachten.
Das würde nicht nur die Unterdrückung der Mehrheit unserer Gesellschaft beenden, es wäre auch der Wirtschaft zuträglich! Stellen wir uns vor, an all diesen Tagen gingen alle, die nicht in die Kirche wollen, stattdessen zur Arbeit und würden so das Bruttosozialprodukt steigern!
Allerdings vermute ich stark, dass Frau Weisband diese innovative Idee nicht für ihren Wahlkampf übernehmen wird...

Freitag, 6. April 2012

Er ist weg!

Karfreitag ist ein schrecklicher Tag!
Wir beginnen zwar mit einer schönen Liturgie, aber wir singen nur mit halber Stimme - das fühlt sich ganz seltsam an. Schon am Gründonnerstag beginnen die "Trauermetten", d.h. dass wir im Morgengebet besondere Lesungen singen und lesen, von dem alten Propheten Jeremias - und von den Weisen unserer Zeit. Während der Psalmen wird nach und nach das Licht gelöscht. Wenn Jesus stirbt, kann in der Welt nichts mehr hell sein. Um das darzustellen, haben wir einen Kerzenständer, bei jedem Psalm werden zwei Kerzen gelöscht, zum Schluss auch die Kerzen im Altarraum. Eigentlich ein schönes Ritual.
Aber an Karfreitag wird es so real. Da ist nämlich der Tabernakel leer.
Am Abend des Gründonnerstag haben wir zusammen ein Agapemahl gefeiert. Zuerst die Messe in der Kirche und dann waren die Jugendlichen und Erwachsenen vom Kinderdorf noch zu uns ins Schwesternhaus eingeladen. Wir haben uns an das letzte Abendessen von Jesus mit seinen Jüngern erinnert und wie damals wohl auch war die Stimmung beim Essen zwar etwas verhalten aber doch gut - bis wir angefangen haben, von dem bevorstehenden Tod Jesu zu sprechen. Wir lesen dazu immer aus dem Johannesevangelium vor und schließlich gehen wir in die Kirche.
Dorthin kommen meist nur noch die Erwachsenen mit, wir lesen weiter aus den Abschiedsreden und schließlich ist Nachtanbetung. "Wacht und betet mit mir!" So weit, so gut.
Aber am Karfreitag? Da ist der Herr dann weg. In der Nacht ist er verraten und verhaftet worden. Jetzt ist die Kirche leer, egal, wie viele Menschen auch kommen mögen. Das Ewige Licht ist erloschen, sogar das Weihwasserbecken hat die Sakristanin geleert - hat doch alles keinen Zweck mehr! Wozu sollen wir uns noch an unsere Taufe erinnern? Dass Jesus sich im Jordan von Johannes taufen ließ und Gott ihn kennzeichnete als seinen Sohn - das ist ewig her! Jetzt sitzt unser Herr im Gefängnis und wir können nichts tun, um seinen Tod noch zu verhindern...

Sonntag, 1. April 2012

Palmsonntag mit Stanley

"Jesus zieht in Jerusalem ein - Hosianna! Alle Leute fangen auf der Straße an zu schrein: Hosianna in der Höh!"
Wenn bei uns im Kinderdorf am Palmsonntag Messe ist, dann singen wir dieses Lied nicht nur, dann wird es auch wahr: Wir treffen uns zu Beginn der Messe draußen vor der Aula. Eddi Erlemann, der immer für die Kindermessen zu uns kommt, eröffnet den Gottesdienst, es kommt eine Einführung, die Palmweihe, ein Stück aus dem Evangelium und dann ziehen wir alle in einer Prozession durchs Kinderdorf in die Kirche und singen dabei dieses Lied.
Diesmal hatten wir einen richtigen Esel, Stanley. Er gehört seit einigen Monaten zum Kinderdorf und hat relativ brav mitgemacht. Allerdings ist Eddi nicht auf Stanley geritten sondern hinterher gelaufen. Dafür ist Jenny mutig aufgestiegen, ein Mädchen aus der Gruppe, die den Gottesdienst vorbereitet hatte. In einem kurzen Spiel und der Katechese wurde das dann aufgeklärt:

Die anderen Kinder und Jugendlichen der Gruppe standen um Jenny herum und bewunderten sie, wie cool sie sei. "Die hat bestimmt sogar einen Laptop!" "Sie ist so cool, sie hat bestimmt auch das neueste IPhone." usw. Dann kam sie selber und antwortete, das alles habe sie nicht, darauf komme es auch nicht an. Wichtiger seien andere Dinge: dass wir dankbar sind für Wasser und Nahrung, dass wir einen Ort haben, wo wir ruhig schlafen können und jemanden, der uns liebt und versteht. Das fanden die anderen dann doof, sie beschimpften Jenny und drehten ihr schließlich den Rücken zu.
Diese Ablehnung unmittelbar nach der heftigen Bewunderung war ziemlich gruselig - zumal alle Erwachsenen natürlich schon vor der Katechese kapiert hatten, dass es hier um die Passionsgeschichte Jesu ging. Jenny war auf dem Esel geritten, weil sie uns zeigen wollte, wie es Jesus gegangen war.

Auch Jesus ist mit Erwartungen überfrachtet worden - und blieb doch seinem Auftrag treu. Dafür wurde er angefeindet und schließlich getötet, aber er hat niemals zurückgeschlagen. Wir sollen immer mehr wie Jesus werden - friedfertig und freundlich, eng verbunden mit Gott, unserem Vater. Dann werden wir unser Herz auch nicht an die falschen Dinge hängen.

Samstag, 10. März 2012

P. Lataste - Liebe ich eigentlich ?

Heute, am 10. März, feiern wir den Gedenktag von Pater Jean - Joseph Lataste OP. Er gründete 1866 in Frankreich die Dominikanerinnen von Bethanien.
In dieser Gemeinschaft sollten haftentlassene Frauen gemeinsam mit Frauen ohne solche Vergangenheit Ordensleben leben. - Ohne dass jemand weiß, welche von ihnen zu welcher Gruppe gehört. Und so kam es.
Am 3. Juni 2012 wird Pater Lataste selig gesprochen werden. Als "Apostel der Gefängnisse". Dann wird sein Gedenktag auch verlegt werden, damit wir ihn nicht immer in der Fastenzeit feiern müssen. - Ich bin schon sehr gespannt, welcher Tag es werden wird. Aber erstmal steht fest: am 3. Juni wird gefeiert! - Aber was feiern wir?
Dass wir uns dann mit einem offiziell anerkannten Seligen als Gründer "dekorieren" können? Nein!
Wir feiern, dass die Barmherzigkeit und die Liebe Gottes in unserer Welt nicht nur Theorie sind, sondern inkarniert wurden und werden. Jesus selbst hat dieses Wunder vollbracht, und Lataste folgte den Spuren Gottes in dieser Welt. - Jeder von uns ist dazu eingeladen es ihm gleich zu tun.
Lieben, wie Gott liebt. - Kann ich das?

Dazu ein Gedanke von P. Lataste:

"Ihr gebt einem Bettler auf der Straße ein Almosen, ihr betet für einen Mörder, der sein Verbrechen sühnen wird. Warum? Es ist unbestritten, dass ihr beide auf irgendeine Weise liebt. Aber wollt ihr auch von ihnen geliebt werden? Werdet ihr um ihre Liebe werben? Nein, nicht wahr? Ihr denkt nicht einmal daran; und wenn euch ihre Freundschaft angeboten würde, würdet ihr sie vielleicht zurückweisen, so wie man eine Beleidigung oder eine Unreinlichkeit zurückweist. [...] Gott handelt uns gegenüber nicht so, und von den großen Seelen bis hin zu den kleinsten von den Vornehmsten bis zu den Niederigsten liebt er alle und erbittet und verlangt von uns allen, ihn zu lieben."

Liebe ich? Werbe ich um die Liebe derer, an denen wir sonst einfach nur vorbei gehen? Ich will es versuchen, so wie es Pater Lataste versucht hat.

Samstag, 3. März 2012

Salbei und Laptop

Eigentlich hab ich heute nix besonderes zu berichten.
Ich meine: In der letzten Zeit ist schon einiges passiert. Direkt nach dem letzten Blogeintrag hatte ich den Jahresabschluss in der Buchhaltung. Dann haben wir Karneval gefeiert und an Aschermittwoch eine sehr schöne Kindermesse. Danach war ein Dutzend Schülerinnen aus Belgien zu "Kloster auf Zeit" hier - und ist inzwischen munter wieder abgezogen. Gestern war der Weltgebetstag der Frauen, den wir mit einem ökumenischen Gottesdienst im Nachbarort gefeiert haben. Eine Mitschwester und ich hatten mit vorbereitet und es ist recht gut gelungen.

Also, ja, es war einiges los. Zuviel sogar, um auch noch darüber zu bloggen. Aber jetzt? Nein, jetzt habe ich nichts zu berichten. Ich liege im Bett rum und trinke Salbeitee - um meine Stimme wieder zu bekommen. Die Wärme tut mir gut. Eigentlich sollte ich mich richtig hinlegen, ganz entspannen. Die Erkältung ausschwitzen. Stattdessen sitze ich hier und schreibe. Blöd!

Als ich das letzte Mal richtig krank war, hatte ich noch keinen Laptop. Da war das noch viel einfacher. Damals nahm man sich ein Buch, und wenn man zum Lesen zu müde war, dann fielen einem eben die Augen zu. Jetzt gibt es schon mehrere Generationen, die das entweder nur noch schwach erinnern oder schon gar nicht mehr kennen.

Egal. Ich bin alt genug, ich erinnere mich. Und deshalb mache ich die Kiste jetzt aus.