Freitag, 28. Februar 2014

Hitler zum Abendbrot

Neulich war ich in einer der Außenwohngruppen unseres Kinderdorfes zu Besuch. Wir Schwestern losen immer zu Neujahr, wer für welche Gruppe betet, und diesmal habe ich eben diese AWG gezogen. Ich kannte die Kinder und Erwachsenen kaum oder gar nicht, deshalb haben sie mich zum Abendessen eingeladen.
Mann, was für ein quirliger Haufen! Neun Jungs und ein Mädchen von vier bis zwölf Jahren - das ist dann auch schon mal was lauter. Aber trotzdem ging es ziemlich zivilisiert zu, nur einmal sagte die Erzieherin Nina (alle Namen geändert) zum 12jährigen Laurenz: "Ich versteh nur Brötchen!" weil der mit vollem Mund sprach. (Den Spruch muss ich mir unbedingt merken!)
Also: alle unterhielten sich lebhaft - aber die Themen! Zuerst noch ganz normal: Wenn "ihre" Schwester zu Besuch ist, müssen die Kinder das sofort nutzen um zu fragen, wann denn Kevin und Steven und Julius Namenstag haben - und Gruppenleiterin Judith! Zu jedem Namen wusste ich irgendwas (obwohl ich manchmal auch geschummelt habe), nur bei Chayenne musste ich passen. Als wir alle Namen der AWG durchhatten, sollte es mit Aische aus einer anderen Kinderdorffamilie weitergehen, aber da konnte ich abblocken: "Aische ist doch Muslimin - für die muss ich keinen katholischen Heiligen wissen!" Da waren sie dann auch zufrieden und wir konnten endlich das Thema wechseln.
Ich weiß nicht mehr genau, wieso ich mit dem 11jährigen Marc plötzlich über die Seele sprach, dass man sie nicht sehen kann, er aber ganz bestimmt eine hat usw., aber das Thema wurde gestreift, bevor an einem anderen Ende des Tisches plötzlich von Hitler die Rede war. Von den 6 Mio Juden, die er getötet hat, von seinem Selbstmord und der Tötung seiner Frau. Als Laurenz fragte, was er denn eigentlich mit den vielen Leichen gemacht habe, hab ich wohl unterbrochen und darauf hingewiesen, dass das vielleicht nicht das geeignete Thema sei angesichts der Kleineren am Tisch. Und das hat er dann auch eingesehen. 
Aber als Nina stöhnte: "Müssen wir denn bei JEDEM Abendessen über Hitler sprechen?", da klärte uns Marc empört auf: "Es gibt ja schließlich immer noch Nazis!" Da konnten wir schlecht widersprechen und so haben wir also noch geklärt, wie es Hitler so in seinen letzten Tagen im Bunker im Berlin ging, ob er Kinder hatte - und wieso um alles in der Welt er seinen Hund getötet hat - wenn er ihn doch so gern hatte.
Der Wahnsinn! Ich sag ja immer: unterschätzt unsere Kinder nicht!
Nach dem Essen musste ich dann gegen alle Jungen im Armdrücken antreten - aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden.

3 Kommentare:

  1. Oh, bei diesem Abendessen wäre ich gerne dabei gewesen. Ich schreibe gerade an meiner Abschlussarbeit zum Thema "Mit Kindern über den Tod philosophieren." Und wie ich hier lesen durfte, machen sich die Kinder in ihrer AWG so ihre Gedanke über die Seele. Schön. Und auch schön, dass sie um Nazis wissen und darum, dass dieses schwere Thema nicht totgeschwiegen werden darf.
    Sie haben recht, Kinder sollte man nicht unterschätzen.
    Ich wünsche Ihnen noch viele tolle Gespräche mit den Kindern.

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  2. Danke sehr. Ja, es war wirklich ausgesprochen beeindruckend. Viel Erfolg bei der Abschlussarbeit! (Abschluss von...? Wenn man fragen darf.)

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  3. Liebe Schwester Barbara,

    klar, dürfen Sie fragen. Ich habe für das Lehramt an Grundschulen studiert. Meine Fächer sind: Deutsch, Mathematik, kath. Religion und Didaktik der Grundschule. Im Rahmen des Fachs Didaktik der Grundschule schreibe ich nun meine Abschlussarbeit, bevor es im Spätsommer dann in die schriftlichen und mündlichen Prüfungen geht.

    Liebe Grüße
    Carmen Lang

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