Montag, 5. Januar 2015

Schuld und Verantwortung

Zu Weihnachten bekam ich das Buch: "Die Würde ist unantastbar" von Ferdinand von Schirach geschenkt.
Ich habe es gern gelesen und fand viel Interessantes darin. Im Kapitel "Die Würde der Fürchterlichsten" geht es um die Menschenrechtsklage von Magnus Gäfgen, der 2002 den elfjährigen Jakob von Metzler nach seiner Entführung qualvoll tötete. Das unter Androhung von Schmerzen von Gäfgen gemachte Geständnis war im Prozess zu Recht, meint der Autor unverwertbar. Da gehe ich voll mit, allerdings macht er dem Rechtsanwalt von Gäfgen einen Schuldvorwurf, weil der seinen Mandanten dazu bewegt hat, vor Gericht ein erneutes Geständnis abzulegen, freiwillig, aus Reue, um die Verantwortung für seine Tat zu übernehmen. Hat der Rechtsanwalt versagt, weil er dies angeraten hat und der Mörder so nicht ungestraft davon kam, was durchaus im Bereich des Möglichen gelegen hätte? Muss der Verteidiger immer Gegenspieler des Gerichts sein, vertritt er nur dann die Interessen seines Mandanten?
Hier bin ich anderer Meinung als von Schirach. Ich kann mich sehr gut an ein mich bewegendes Interview im Radio erinnern, in dem der Rechtsanwalt von Gäfgen sagte, er werde seinem Mandanten raten, die Verantwortung für seine Tat zu übernehmen. Ist das nicht auch ein Wert, ein Interesse des Schuldigen, sich selbst später im Spiegel anschauen zu können, mit dem Wissen einen großen, schwerwiegenden Fehler gemacht zu haben, aber auch die Konsequenzen dafür zu tragen? Ich finde, dass derjenige, der mir hilft die Verantwortung für meine Fehler zu übernehmen, durchaus in meinem Interesse handelt. Und macht sich nicht eher der Rechtsanwalt mindestens moralisch schuldig, der seinen schuldigen Mandanten frei davon kommen lässt und ihn so möglicherweise zu einer Wiederholung seiner Handlung veranlasst, weil ja nichts passiert?
An diesem Punkt möchte ich kein Rechtsanwalt sein, wenn sich nur mein Erfolg daran misst, dass ich Schuldige nicht verteidige, sondern rausboxe und mir dabei jedes Mittel gelegen kommt.
Und ich verstehe ehrlich nicht, dass Herr von Schirach hier die Meinung vertritt, der Verteidiger hätte sich dafür einsetzen müssen, den Kindsmörder Gäfgen ungestraft davon kommen zu lassen, an anderer Stelle im selben Buch aber zweimal bemerkt, dass die Richter für jeden Mord eines NS- Täters nur fünf Minuten Freiheitsstrafe verhängt haben. Lag das an den erfolgreichen Gegenspielern des Gerichts? 

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