Zölibatversteher, Teil 5
"Ohne den Zölibat hätten wir genug Priester!"
Dieses Argument kommt immer wieder, und - zugegeben - die Vermutung liegt nahe. Wenn die Rahmenbedingungen bei einem Job schwierig sind und irgendwann zu wenig Leute diesen Job machen, dann ist die Versuchung groß, die Bedingungen zu vereinfachen.
Aber ist das auch richtig? Und zwar meine ich "richtig" hier in doppelter Bedeutung:
1. Stimmt das überhaupt?
2. Wenn es stimmt, ist es dann auch wahr und gut?
Zu 1) muss ich zugeben: ich habe es nicht überprüft. Ich kenne keine Untersuchung darüber, ob z.B. die Zahl der evangelischen Pfarrer im Verhältnis zur Zahl der Gläubigen höher ist. Ich weiß auch nicht, wie viele ernsthafte Priesteramtskandidaten kurz vor der Weihe abspringen, weil sie sich den Zölibat nicht zutrauen. Oder so. Insofern bleibt dies eine Spekulation.
Zu 2) gibt es schon Sinnvolleres zu sagen.
Mal angenommen, wir hätten mehr Priester. Was wäre denn dann anders? Natürlich, überall stöhnen die Gläubigen, weil der Pfarrer überhaupt keine Zeit mehr hat und kaum noch eine Messe ist und die Seelsorgseinheiten immer größer werden - was soll also diese Frage? Ich meine es aber ernst: was wäre anders?
Ich weiß, dass gerade alte Menschen oft das Bedürfnis nach der täglichen Messe haben und gleichzeitig die Wege nicht mehr schaffen. Aber kann die Lösung darin bestehen, dass die Priester rumflitzen und eine Minimesse nach der anderen zelebrieren? Oder müssten wir nicht eher lernen, das Sakrament neu zu entdecken? Wir alle können miteinander Gottesdienste gestalten und feiern. Die "Wort-Gottes-Feier" sollte keine Notlösung sein, sondern eine Chance für die Gemeinde, intensiv miteinander Gott zu preisen und sein Wort zu betrachten. Die Eucharistiefeier kann dann wieder etwas ganz Besonderes werden, wo es um ein anderes Geheimnis geht. Und gerade wir in den Klöstern sollten die eucharistische Anbetung pflegen und denen zugänglich machen, die dieses Sakrament vermissen.
Andere Frage: müssen die Priester die ganze Verwaltung machen? Dem Vorstand des Altenheims, des Kindergartens, des Krankenhauses vorsitzen? Muss der Pfarrer an fünf Abenden in der Woche in irgendwelchen Gremien rumsitzen? Ich übertreibe ein bisschen - aber nur ein bisschen. Es gibt viele Aufgaben, die unsere Pfarrer von der Sache her eigentlich gut an kompetente Laien delegieren könnten. Manchmal dürfen sie es rechtlich nicht, manchmal wollen sie es persönlich nicht, manchmal findet sich kein anderer oder die Gemeinde erwartet, dass "Herr Pastor" alles selber in der Hand hat.
Diese letzte Variante ist m.E. die schlimmste. Und sie ist es auch, deretwegen ich gar nicht unbedingt mehr Priester will. "Herr Pastor" muss nicht alles selber machen. Unsere Gemeinden sind voller fähiger Männer und Frauen. Und was getan werden muss, könnte man ganz gut aufteilen. Auf ehrenamtliche und hauptamtliche Laien, Diakone - naja und dann eben auch noch den Pastor. Pastor bedeutet "Hirte", davon hat eine gewöhnliche Herde genau einen. Natürlich wäre es schön, wenn die Seelsorgseinheiten kleiner wären, wieder normale Pfarren halt! Aber mal ganz ehrlich: viele Aufgaben, für die unbedingt der Priester kommen soll, könnte genauso gut auch der Diakon oder die Pastoralreferentin übernehmen? Bildet die Laien ordentlich aus und sie beerdigen unsere Verstorbenen genau so würdig, wie die Priester. Ehevorbereitung - ist ja wohl bei den Diakonen sowieso besser aufgehoben, oder? usw.
Ich bin in dieser Frage geprägt von meinen Jahren in Lettland. Die Kirche dort ist sehr priesterzentriert, d.h. der Priester hat dort eine hoch respektierte und wenig hinterfragte Stellung. Und weil er so zentral und wichtig und besonders ist, muss er auch alles machen. Nicht einmal Kommunion austeilen durften wir als Schwestern dort. Natürlich gibt es auch mehr Priester, aber dieses Priesterbild passt nicht zu Deutschland. Ich jedenfalls habe lieber ein paar Priester weniger, aber mit denen darf ich dann diskutieren und um den richtigen Kurs der Gemeinde ringen, anstatt auf ein passives "Ja und Amen" reduziert zu werden.