Freitag, 23. Mai 2014

Kreuz und Kopftuch


Ja, ich weiß, Martin Schulz hat es nicht so gemeint.
Er freut sich, wenn er am Wegesrand ein Kreuz sieht. Das ist schön.
Ich habe auch keine Sorge, dass Europa sich groß um sein Statement schert, denn die einzelnen Länder haben ihre individuellen Lösungen beim Verhältnis von Staat und Kirche - und das ist gut so.
Deshalb möchte ich - in Ermangelung einer besseren Wochenendbeschäftigung - den Gedanken auch nur für Deutschland zu Ende denken: wie sähe ein laizistisches Land aus? 
Den ersten Hinweis gibt mir - ausgerechnet! - die Türkei, denn die war noch bis vor kurzem wirklich laizistisch. Noch die Töchter von Herrn Erdogan hatten Schwierigkeiten damit. Fürs Studium gingen sie in die USA, weil sie dort an der Uni Kopftuch tragen durften - in ihrer Heimat nicht. Die Frau des Ministerpräsidenten, die so oft es geht Kopftuch trägt, begleitete ihn auf Auslandsreisen - im Inland musste sie manchem Termin ihres Mannes fernbleiben. (http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/tuerkisches-kopftuchverbot-erdogans-toechter-studieren-in-den-usa-a-324130.html)
Nun könnten wir sagen: recht so! Das Kopftuch ist ein böses Symbol des politischen Islam, das gehört auch verboten, bei uns auch!
Und wenn dann jemand kommt und sagt: "nein, es ist ein Ausdruck  meiner Religion und nicht meiner politischen Einstellung"? Dann haben wir ein Problem. Denn religiöse Symbole zu verbieten, heißt ja dann auch: keine Lehrerin oder Erzieherin darf mehr ein Kreuz um den Hals tragen, geschweige denn eine Ordensfrau in Habit unterrichten. Darüber und über das Kreuz im Klassenzimmer hat es ja schon Gerichtsurteile gegeben.
Ich will jetzt nicht bis auf die Berge steigen und dort die Gipfelkreuze durch bekenntnisneutrale Markierungen ersetzen, aber was passiert z.B. mit unseren städtischen Friedhöfen? Müssen da dann Grabstätten, die noch Kreuze haben, umgestaltet werden? 
Was ist eigentlich mit den Krankenhäusern und Altenheimen, die von Ordensgemeinschaften aufgebaut wurden und später in staatliche Hand übergegangen sind? Müssen sie alle Spuren ihrer Gründung tilgen? 
Unser Brauchtum ist ja schon zum großen Teil säkularisiert. Nennen wir die Weihnachtsmärkte Wintermärkte, das ist ja eh schon hie und da geplant und streichen wir das Liedrepertoire zusammen ("Stille Nacht"? Aber nicht doch, ts, ts, ts...). Halloween lässt sich auch viel besser vermarkten als Allerheiligen (obwohl es ursprünglich das gleiche Fest war, aber die Amis haben den Bogen eben raus!). Muttertag geht in den Geschäften einfach besser als der Marienmonat. Gerade war Hasenfest, hat auch keiner gemerkt, dass die Christen da in die Kirchen gegangen sind. 
Allerdings die Kirchen, das ist wirklich ein Problem: erstens stehen sie in jeder Stadt unübersehbar religiös rum! Und zweitens feiern diese Christen auch noch immer wieder Gottesdienste im öffentlichen Raum! Mit Prozessionen! Und nächste Woche in Regensburg werden sie es wieder ganz doll treiben. Kann man das nicht verbieten?
Man könnte. Aber sind wir wirklich schon so weit? Ich denke nicht. Und ich weiß ja auch: Herr Schulz hat es gar nicht so gemeint.

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