Montag, 3. August 2015

Frag doch mal... nach der Natur!

Frag doch mal die Schwester, Teil 14:
Ist die Natur nicht grausam?
Anlass für diese Frage war der arme Löwe Cecil, über den z.Zt. so viel geschrieben wird. Nachdem er aus seinem Reservat gelockt und von einem Jäger rein zum Vergnügen, oder sagen wir mal aus sportlichem Ehrgeiz getötet wurde, braucht sein Rudel einen neuen Anführer. So weit, so gut. Aber was macht das Alphatier in so einem Löwenrudel, wenn es den Kampf um die Vorherrschaft gewonnen und seine Konkurrenten besiegt hat? Es beißt alle Jungen seiner Konkurrenten tot. Denn die könnten ihm schließlich auch gefährlich werden.
Und da setzt unsere Frage an: ist das nicht grausam?
Ja und nein.
Wieder möchte ich zuerst den Begriff klären, denn er hat zwei Bedeutungen. Man kann "grausam" benutzen im Sinne von "durch eine derartige Gefühlskälte, Skrupellosigkeit und meist Reuelosigkeit gekennzeichnet , dass es Grauen (im Sinne von Furcht, Entsetzen) hervorruft". Oder man benutzt das Wort adverbial, also für eine Tätigkeit. Die kann dann von einer derartigen Intensität sein, dass es starkes Leiden oder Unwohlsein hervorruft. Im ersten Fall hat "grausam" eindeutig eine moralische Komponente. Im zweiten nicht unbedingt.
Ich neige dazu, das Wort grausam moralisch zu verstehen. Cecils Nachfolger ist nicht grausam, wenn er die Jungen seiner Konkurrenten totbeisst. Er ist weder gefühlskalt, noch skrupellos oder reuelos. Er folgt seinem Instinkt, der sein Überleben sichert. Der Zahnarzt, der Cecil erschossen hat, den würde ich schon viel eher als grausam bezeichnen, denn der hat unnötiges Leid verursacht zum eigenen Vergnügen. Das nenne ich skrupellos und gefühlskalt - eben grausam.
Wie ist es nun mit der Natur insgesamt? Nehmen wir die moralische Komponente raus und sagen wir der Klarheit halber "schrecklich". Ja, die Natur ist wunderschön - aber es gibt eben auch diese andere, schreckliche Seite. Die Natur ist ein Kreislauf, ein ständiges Werden und Vergehen. Es kann kein neues Leben in all seiner Schönheit entstehen und seine Fülle entfalten, wenn nicht Altes vergeht und stirbt. Einfachstes Beispiel sind die Blätter, die im Herbst von den Bäumen fallen. Sie müssen fallen, nur so können neue nachkommen, nur so kann der Baum insgesamt wachsen - bis er irgendwann als ganzer stirbt. Bei uns Säugetieren fällt uns dieser Gedanke schwer, und wenn ein Löwe so brutal zur Sache geht, finden wir das fürchterlich - zu Recht! Ich meine: jeder Nichtvegetarier sollte vielleicht mal kurz innehalten, bevor er das ständige Fressen und Gefressenwerden in der Tierwelt als brutal abtut. Aber selbst der Körper eines Veganers ermordet permanent massenweise Bakterien und Viren - und ich für meinen Fall weine keine Träne um die Verlierer dieses ständigen Überlebenskampfes. Ist das jetzt grausam?
Ja, es ist nicht schön, dass wir nicht im Paradies leben, wo der Wolf beim Böcklein liegt und alle sich in Liebe und Harmonie verstehen. Das ist unsere Verheißung erst für das Ende der Zeit. Doch auch die Natur, die wir jetzt haben, ist von Gott geschaffen und von seinem Geist durchweht. Wir können seine Spuren darin überall finden. Es geht der ganzen Schöpfung wie uns Menschen: wir sind von Gott geliebt und gut geschaffen, haben uns aber vom Ursprung entfernt und warten jetzt voller Sehnsucht auf die Erlösung. Der Apostel Paulus sagt das im Brief an die Römer so: "Ich bin überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. Denn die ganze Schöpfung wartet sehnsüchtig auf das Offenbarwerden der Söhne Gottes. Die Schöpfung ist der Vergänglichkeit unterworfen, nicht aus eigenem Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat; aber zugleich gab er ihr Hoffnung: Auch die Schöpfung soll von der Sklaverei und Verlorenheit befreit werden zur Freiheit und Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt." (Kapitel 8, 18ff)

5 Kommentare:

  1. Das Paradies, wo das Böcklein friedlich neben dem Löwen liegt...? Löwen sind Fleischfresser. Fleisch das noch lebt nennt man Tier oder Mensch. Dass männliche Fleischfresser auch die Nachkommen ihrer männlichen Kollegen fressen, das lernte ich als Kind am großelterlichen Dachboden: da lagen die Pfötchen und Schwänzchen von Katzenkindern, die ein fremder Kater getötet hatte, wohl damit die Katze schneller wieder rollig wird. War es vielleicht sogar der eigene Vater? Und wir Menschen. Ich bekam heute mit der Post das Buch "Selig die keine Gewalt anwenden - Das Zeugnis des Franz Jägerstätter", Manfred Scheuer, Tyrolia, 2007. Nicht nur die schöne Natur ist grausam sondern auch der Mensch, als Teil dieser Natur, bringt unliebsame Zeitgenossen einfach um. Und es gibt die Kehrseite: Menschen, die sich dem widersetzen - was uns von der Natur unterscheidet! Und Gott? Wenn ich das Alte Testament lese: "grausam" ist da ein Adjektiv, das ich manchmal durchaus angemessen finde. Hiob: Tausende von Tieren mussten einfach so dran glauben, dutzende Knechte und Kinder Hiobs. Um Saten WAS zu beweisen???? Und Jesus? Ein grausames Opfer eines geliebten Sohnes... sehr grausam. Hätte Gott das nicht etwas weniger grausam geschehen lassen können. Er hat sogar darum gebeten. Nix da. Volles Programm mit Folter und Kreuzigung. Nein, es ist nicht nur die Natur grausam. Grausamkeit gibt's überall, sogar in der Bibel... und das stürzt mich immer wieder in Zweifel...

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    1. Dass der Mensch grausam ist, steht für mich außer Frage. Das hat aber eben diese moralische Seite: Skrupellosigkeit, Kaltherzigkeit etc., die es bei Tieren nicht haben kann. Die Grausamkeit Gottes ist wieder etwas anderes. Hiob ist eine furchtbare Geschichte und bräuchte mal eine eigene Text-Auslegung. Dahinter steht letztlich die Theodizeefrage, die ich aber nicht gerne im Kommentarbereich behandeln möchte. Hier nur so viel: In der Bibel haben wir es nicht nur mit einem Gottesbild zu tun. Jesus offenbart uns ganz andere Seiten von Gott, als 1.000 Jahre vorher bekannt und verinnerlicht waren. Das muss man berücksichtigen, wenn man mit einer biblischen Aussage über Gott Schwierigkeiten hat.
      Dann der Kreuzestod Jesu. Da geht es um die Erlösungstheologie: Gott opfert seinen Sohn ja nicht aus Grausamkeit, sondern aus Barmherzigkeit - nicht um Jesus zu quälen, sondern um uns von unserer Schuld zu erlösen. Warum das nötig war, hat mir auch nie so richtig eingeleuchtet, aber so ist die Theologie dahinter - wenn man schon sagt, dass Gott mit dieser Art des Todes einverstanden war.
      Also bitte auseinanderhalten: Grausamkeit ist nicht überall dasselbe.

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  2. Ich hab mal einen Priester gefragt, warum Gott dieses "Opfer" nötig hatte, ob er es als Rache oder Genugtuung oder Buße o.ä. "brauchte, da hat dieser Priester gesagt: "Nein. Was ware das für ein kleinkrämerischer Gott! Nein, ich denke: Jesus ist einfach in seiner Liebe bis zum Äußersten gegangen."
    Man kann auch diese Aussage rational hinterfragen, sicherlich. Aber irgendwie hat mich das ein Stück weit beruhigt: Gott forderte das Opfer nicht, sondern wollte zeigen, was echte Liebe und Hingabe ist. Oder so ähnlich, vielleicht...

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  3. Ja, Juliana, genau. Mit dieser Sichtweise kann ich auch viel besser umgehen. Deshalb komme ich auch lieber von dieser Seite, sozusagen von Jesus und den Menschen her. "Er liebte uns bis zur Vollendung" heißt ja auch, er war konsequent und ist nicht abgehauen, als seine Botschaft unangenehme Folgen hatte. Er hat durchgehalten bis zum Schluss. Nur so konnten wir sehen, dass die Liebe stärker ist als der Tod.

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  4. Ja, und außerdem, was ich mir jetzt noch gedacht habe: müsste man nicht viel mehr sagen: Gott hat sich in gewisser Weise selbst hingegeben, selbst "geopfert". Freiwillig und aus Liebe. Vielleicht auch, um zu zeigen, dass die wahre Stärke das Sich-Verlieren, die Hingabe ist. Und das, was bei uns Macht und Stärke gilt. Und das nur so das Stärkste möglich ist, was es gibt: die Auferstehung.
    Nur, ganz nebenbei, meine ewige unlösbare Frage. warum gibt es überhaupt Krankheit, Tod, das Böse usw. - wo Gott doch alles geschaffen hat und das alles doch nicht will?

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