In der Enzyklika "Die Freude des Evangeliums" befinden wir uns im ersten Kapitel, "Die missionarische Umgestaltung der Kirche", Abschnitt III "Aus dem Herzen des Evangeliums" - Fortsetzung von gestern!
38. Es ist wichtig, die pastoralen Konsequenzen aus
der Konzilslehre zu ziehen, die eine alte Überzeugung der Kirche
aufnimmt. Vor allem ist zu sagen, dass in der Verkündigung des
Evangeliums notwendigerweise ein rechtes Maß herrschen muss. Das kann
man an der Häufigkeit feststellen, mit der einige Themen behandelt
werden, und an den Akzenten, die in der Predigt gesetzt werden. Wenn zum
Beispiel ein Pfarrer während des liturgischen Jahres zehnmal über die
Enthaltsamkeit und nur zwei- oder dreimal über die Liebe oder über die
Gerechtigkeit spricht, entsteht ein Missverhältnis, durch das die
Tugenden, die in den Schatten gestellt werden, genau diejenigen sind,
die in der Predigt und in der Katechese mehr vorkommen müssten. Das
Gleiche geschieht, wenn mehr vom Gesetz als von der Gnade, mehr von der
Kirche als von Jesus Christus, mehr vom Papst als vom Wort Gottes
gesprochen wird.
39. Ebenso wie der organische
Zusammenhang zwischen den Tugenden verhindert, irgendeine von ihnen aus
dem christlichen Ideal auszuschließen, wird auch keine Wahrheit
geleugnet. Man darf die Vollständigkeit der Botschaft des Evangeliums
nicht verstümmeln. Außerdem versteht man jede Wahrheit besser, wenn man
sie in Beziehung zu der harmonischen Ganzheit der christlichen Botschaft
setzt, und in diesem Zusammenhang haben alle Wahrheiten ihre Bedeutung
und erhellen sich gegenseitig. Wenn die Predigttätigkeit treu gegenüber
dem Evangelium ist, zeigt sich in aller Klarheit die Zentralität einiger
Wahrheiten, und es wird deutlich, dass die christliche Morallehre keine
stoische Ethik ist, dass sie mehr ist als eine Askese, dass sie weder
eine bloße praktische Philosophie ist, noch ein Katalog von Sünden und
Fehlern. Das Evangelium lädt vor allem dazu ein, dem Gott zu antworten,
der uns liebt und uns rettet – ihm zu antworten, indem man ihn in den
anderen erkennt und aus sich selbst herausgeht, um das Wohl aller zu
suchen. [...]
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