Freitag, 29. Juli 2011

Zwei ungleiche Schwestern

Heute ist der Festtag der heiligen Martha von Bethanien.
Aus diesem Anlass habe ich heute abend in der Vesper gepredigt:


Martha lebte mit ihrer Schwester Maria und ihrem Bruder Lazarus in Bethanien, wo sie mehrfach von Jesus besucht wurden. Einer dieser Besuche wird ausführlich beschrieben, im Johannesevangelium, Kapitel 11, 17-27:

Als Jesus ankam, fand er Lazarus schon vier Tage im Grab liegen. Bethanien war nahe bei Jerusalem, etwa 15 Stadien entfernt. Viele Juden waren zu Marta und Maria gekommen, um sie wegen ihres Bruders zu trösten. Als Marta hörte, dass Jesus komme, ging sie ihm entgegen, Maria aber blieb im Haus. Marta sagte zu Jesus: Herr wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Aber auch jetzt weiß ich: Alles, worum du Gott bittest, wird Gott dir geben. Jesus sagte zu ihr: Dein Bruder wird auferstehen. Marta sagte zu ihm: Ich weiß, dass er auferstehen wird bei der Auferstehung am Letzten Tag. Jesus erwiderte ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? Marta antwortete ihm: Ja, Herr, ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.

Maria erscheint hier als die Passivere der beiden Schwestern: sie bleibt im Haus, um alleine zu trauern. Martha dagegen wird aktiv, sie spricht Jesus an: "Wärest Du hier gewesen..." Ist das ein Vorwurf? Eine Tatsache? Ein Glaubensbekenntnis?
Jesus antwortet jedenfalls ganz ruhig, es entspinnt sich ein fast theologisch-abstraktes Gespräch über die Auferstehung. Es endet mit Martas großartigem Glaubensbekenntnis: "Ich glaube, dass du der Messias bist."

Vers 28/29:
Nach diesen Worten ging sie weg, rief heimlich ihre Schwester Maria und sagte zu ihr: Der Meister ist da und lässt dich rufen. Als Maria das hörte, stand sie sofort auf und ging zu ihm.

Ob Jesus wirklich nach Maria gerufen hat, wird nicht berichtet, eher sieht es so aus, als habe sich Martha das nur ausgedacht. Jedenfalls schafft sie es: endlich kommt Leben in ihre Schwester.

Vers 32-35:
Als Maria dorthin kam, wo Jesus war, und ihn sah, fiel sie ihm zu Füßen und sagte zu ihm: Herr, wärst du hier gewesen, dann wäre mein Bruder nicht gestorben. Als Jesus sah, wie sie weinte und wie auch die Juden weinten, die mit ihr gekommen waren, war er im Innersten erregt und erschüttert. Er sagte: Wo habt ihr ihn bestattet? Sie antworteten ihm: Herr komm und sieh! Da weinte Jesus.

Jesus hatte schon auf dem Weg nach Bethanien mit seinen Jüngern über die Auferweckung gesprochen, ähnlich nüchtern wie mit Martha. Aber erst jetzt, als Maria weint, fängt er an, echten Anteil zu nehmen.
Erst jetzt kann es auch tatsächlich zur Auferweckung des verstorbenen Bruders kommen. Martha alleine konnte Jesus nicht bewegen zum Grab zu gehen. Ihr ganzer Glaube und ihre Kraft haben ihr nicht geholfen.
Dass Maria im Haus blieb und still und alleine trauern wollte, hat auch nichts genützt.

Erst als Martha ihre Schwester holt, als Maria ihre Tränen offen zeigt und als klar wird, dass die beiden ungleichen Schwestern das gleiche Glaubensbekenntnis haben: "Herr, wenn Du hier gewesen wärst, wäre unser Bruder nicht gestorben" - erst da wird aus Tod neues Leben.

Freitag, 22. Juli 2011

Maria Magdalena und die erste Liebe

Heute, am 22. Juli, feiern wir das Fest der Heiligen Maria Magdalena. Da ihr der Auferstandene zuerst erschienen ist und sie beauftragt hat, seine Auferstehung den Aposteln zu verkünden, wird Maria Magdalena im Dominikanerorden besonders verehrt. Die Apostolin der Apostel spielte für Pater Lataste und die Gründung von Bethanien eine herausragende Rolle. Die Übertragung der Reliquien der Heiligen Maria Magdalena in einen neuen Schrein in Saint-Baume wird für Pater Lataste zu einem Erlebnis, das ihn tief berührt und auf das er in vielen seiner Predigten Bezug nimmt: Da er zu diesem Zeitpunkt schwer krank ist und große Probleme mit der Hüfte hat, darf er zusammen mit zwei weiteren kranken Mitbrüdern den Schädel der Heiligen küssen, als dieser aus dem Schrein gehoben wird. Maria Magdalena, die ehemalige Prostituierte, ist uns ein Vorbild in ihrer Hingabe und Liebe – sie, die Jesus salbt, die seine Füße mit ihren Tränen wäscht und mit ihren Haaren trocknet, die ihm bis unter das Kreuz folgt und in der Morgendämmerung voller Sehnsucht zum Grab eilt...
Ausgehend von dieser Liebe Maria Magdalenas tauschten wir uns heute morgen in Leipzig auch über unsere „erste Liebe“ aus. Jede brachte ein Symbol mit, das für ihre erste Liebe steht, die erste Liebe zu Bethanien oder zu Gott, und erzählte den anderen davon. Wir fielen dann jeweils miteinander in den Gesang „Wo die Liebe wohnt“ ein. Dieser gegenseitige Austausch ist ein großes Geschenk füreinander und kann die erste Liebe immer wieder neu entfachen und brennen lassen.

Und die Begegnung mit Maria Magdalena weckte wohl auch in Pater Lataste die erste Liebe für das, was er wenige Jahre später ins Leben rief: das Haus von Bethanien. So sagt er in einer Predigt:
Und jetzt, was meinen Sie: Welchen Platz nimmt Maria Magdalena im Himmel ein? Ich selbst wäre nicht überrascht, wenn wir eines Tages die reuige Sünderin unmittelbar neben der Unversehrten Jungfrau erblicken könnten. Ich habe oft an diese Dinge gedacht, und ich glaube, dass es so ist. Gestatten Sie mir eine persönliche Erinnerung, aus der sich dieser Gedanke speist: Bericht von der Reliquienprozession.
Ich senkte dieses einst verkommene, heute geheiligte Haupt und sagte mir: Es ist doch wahr, die größten Sünder haben das Zeug zu den größten Heiligen; wer weiß, ob sie es nicht eines Tages werden.“
Seine Begegnung mit den inhaftierten Frauen in Cadillac wird diese Erkenntnis später bestätigen und ihn dazu bringen, sich mit Leib und Seele für die Gründung Bethaniens einzusetzen, um so Frauen, die sich im Gefängnis bekehrt haben, den Zugang zum Klosterleben zu ermöglichen.

Wenn Jesus sich den Seelen schenkt, so schaut er wirklich nicht auf das, was sie einmal waren, sondern auf das, was sie sind; nicht darauf, ob sie gefehlt haben, sondern wie sie lieben! Ob reuig oder unversehrt – er wägt die Seelen, wie sie auch seien, nur nach dem Gewicht ihrer Liebe.“
Nach dem festlichen Frühstück (zu Ehren Maria Magdalenas, zweier Namenstage und eines Geburtstages) und der leckeren Pizza zur Feier des Tages hieß es für mich schon wieder Abschied nehmen von Leipzig. Und jetzt geht es erstmal in den Urlaub...

Montag, 18. Juli 2011

Diplomfeier à la Bethanien

Wie bereits angekündigt, hielt der Grillabend am vergangenen Samstag noch ein paar Überraschungen bereit:

Zuerst erfreuten wir uns an einer Aufführung des polnisch-koreanischen Duetts "Die Schönsten" mit ihrer phantastischen Darbietung von "Warum bin ich so fröhlich?", die unsere Fröhlichkeit noch mal steigerte und lautes Lachen und Jubeln hervorrief. Mit dieser Überraschung bedankten sich die Studentinnen für die gute Zeit, die sie hier bei den Schwestern in Leipzig verbringen durften.

Doch auch die nächste Feierlichkeit ließ nicht lange auf sich warten: Zur Feier des Tages überreichte Sr. Angela den Studentinnen, die ihr Studium nun abgeschlossen haben, feierlich das Diplom der Eisenbahnstraße und den Doktorhut. Die drei staunten nicht schlecht, als Sr. Angela noch eine weitere Absolventin aus dem Hut zauberte: mich. Meine Schwestern hatten damit, ohne es zu wissen, den Nagel auf den Kopf getroffen (zum Glück nur im übertragenen Sinn!): Denn genau an diesem Tag feierten auch die Absolventen in Bonn ihr Diplom beim großen Universitätsfest, in feierlichen Roben und mit Doktorhut... doch in meinem Hut hier in Leipzig steckt auch noch eine besondere Portion Liebe meiner Schwestern, die ihn selbst gebastelt haben und sich ganz besonders mit mir freuen. Und hier durfte ich mit mehr als nur 3 Angehörigen feiern - meine bethanische Familie hätte selbst im engsten Kreis diese Einschränkung von Bonn bei weitem gesprengt;-)

Es ist so schön, dass ich in diesen Wochen immer wieder erleben darf, wie meine Schwestern aus den verschiedensten Konventen und Ländern meinen Weg begleiten, wie sie mich durch ihr Gebet und ihre alltägliche Unterstützungen durch die Prüfungsphase getragen haben und sich jetzt riesig mit mir freuen, mir Glückwünsche schicken und mit mir feiern - sei es mit Kevelaer-Wallfahrt und Ausflug ins Irrland, mit Milchreis oder Grillen... DANKE!!!

"Mit Jesus zum Segen der Kinder" - 10 Jahre Kinderdörfer GgmbH

Unter dieser Überschrift wurde heute in unserem Kinderdorf in Refrath der Reigen der "Geburtstagsfeiern" eröffnet, und auch die Anderen Kinderdörfer werden noch feiern.
Um unsre Verbundenheit miteinander auszudrücken und trotzdem unseren unterschiedlichen Charakter zum Ausdruck zu bringen wurde das gleiche Bild in allen Kinderdörfern gemalt. Dann wurde jedes in drei Teile geteilt, eines behalten und die anderen getauscht. So wird deutlich, dass wir eine Einheit sind, in aller Verschiedenheit.
Pater Franziskus OP feierte mit uns die Messe und predigte darüber, wie sehr es im Kinderdorf doch so ist, wie mit dem Leib Christi. So viele Glieder, einige müssen nah zusammen sein, andere brauchen mehr Abstand voneinander, jeder muss an seinem Platz sein, damit er werden kann, was er sein soll. Unsere Generalpriorin Sr. Sara Böhmer OP erinnerte uns dann beim geselligen Beisammensein dran, dass wir die Perspektive nicht vergessen dürfen.
"Was sind schon 10 Jahre?" Feiern wir doch schon in 5 Jahren 60 Jahre Bethanien - Kinderdörfer, 150 Jahre Dominikanerinnen von Bethaninen, 800 Jahre Predigerorden...
Aber 10 Jahre sind viel, "10 Jahre sind ein ganzes langes Kinderleben". So wichtig es auch ist, die großen Zusammenhänge zu sehen, wir wollen unseren Blick in die Kinderdörfer hinein, in jedes Haus, auf jedes einzelne Kind richten, da es uns von Gott anvertraut wird.
Ausgehend von der großen Perspektive, ausgehend von Gott, der vor etwa 2000 Jahren selbst Kind wurde bekommen wir den richtigen Blick auf diese 10 Jahre, auf jedes Kinderleben, das wir nach Kräften schützen, stärken und zur Entfaltung bringen wollen.

Sonntag, 17. Juli 2011

Grillabend in Leipzig


Hier in Leipzig in der Eisenbahnstraße leben die Schwestern in einem großen Mietshaus, verteilt über mehrere Etagen. Im Erdgeschoss befinden sich öffentliche Räume: Treff.komm und ein Raum für Stille und Gebet, der von der Straße aus zugänglich ist, sowie Sr. Hellenas Arbeitszimmer, in dem sie auch Musikunterricht gibt, und eine Schlafstelle für Pilger. Im ersten Stock sind die Räume der Gemeinschaft: die Hauskapelle, das Refektorium, die Küche, Wohn- und Sprechzimmer. In der zweiten und dritten Etage sind die Zimmer der Schwestern. Und dann gibt es in der dritten Etage noch etwas Besonderes: Zimmer für Studentinnen. Ja, und da das Semester nun zu Ende ist und die drei ihren Abschluss gemacht haben, werden sie in den nächsten Tagen ausziehen. Deshalb haben wir gestern Abend noch mal alle zusammen gegrillt, im wunderschönen Garten im Hinterhof, der eine richtige Oase mitten in der Eisenbahnstraße ist: die Schwestern, die Studentinnen mit ihren Gästen, eine Interessentin, die für ein paar Tage hier in Leipzig bei den Schwestern mitlebt, eine Ehemalige von Sr. Magdalena, eine Frau, die eine Zeit lang hier im Apartement gewohnt hat, und spontan eingeladene Nachbarn. Viele Nationen waren vertreten: Korea, Polen, Iran, Deutschland. Und so bekamen wir gleich zu Beginn eine koreanische Spezialität (so ähnlich wie Sushi) von unseren Gästen überreicht - sehr lecker! Es wurde ein sehr gemütlicher Sommerabend, der noch einige Überraschungen bereit hielt... Doch mehr davon später, im nächsten Post;-)

Freitag, 15. Juli 2011

"Heute hier, morgen dort"

"Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort..." - dieses Volkslied haben wir in der Schule unzählige Male gesungen. Und es kam mir nun wieder in den Sinn, als ich mal wieder meine Sachen packte. Ja, das Studium ist rum. Wieder ein Abschnitt geschafft! Und Zeit für einen neuen Aufbruch... Bis vorgestern war ich noch in unserem Noviziatskonvent Haus Tabgha in Waldniel, wo ich die letzten Wochen zum Lernen verbacht habe, und mich gerade richtig gut eingelebt hatte.
Vorgestern Abend fuhr ich dann mit Sr. Angela nach Refrath. Unser kleines grünes Auto war voll mit meinen Lernsachen, die Sr. Hannah-Rita vielleicht noch für ihre Prüfungen brauchen kann, und den anderen Kisten mit Kleidung, Laptop und all dem, was ich in den nächsten Wochen noch brauchen könnte... Liebevoll wurde ich mit einem "Herzlichen Glückwunsch zum Diplom"- Schild an meiner Zimmertür, einer leuchtenden Sonnenblume und einer Schüssel leckeren Milchreis empfangen. Nach dem Abendessen hieß es dann schon wieder packen: Raus aus den Kisten, rein in den Rucksack, Schlafsack und Isomatte dazu,... startklar für den nächsten Morgen.
Denn gestern früh ging es sofort weiter. Sr. Hannah-Rita brachte Sr. Angela und mich noch mit dem berühmten kleinen Flitzer nach Köln zum Bahnhof und dann saßen wir stundenlang im Zug bis wir endlich unser Ziel am Nachmittag erreichten: Eisenbahnstraße 112, Leipzig. Mein erster Besuch hier, in meiner neuen Heimat, wohin ich ab September versetzt werde. Eine Woche bleibe ich jetzt hier, um den Konvent und die Stadt kennen zu lernen, ehe ich wieder meinen Rucksack packe und erst mal in meinen Urlaub aufbreche. Ich bin schon sehr gespannt! Hier gibt es viel neues zu entdecken. Und obwohl ich zum ersten Mal in Leipzig bin, hat es etwas von Heim-Kommen. Denn ich komme bei meinen Schwestern an, auch hier ist Bethanien und damit mitten in der fremden Stadt ein Stückchen Heimat.

Sonntag, 10. Juli 2011

Dogmatik -> Diplom -> Dankwallfahrt!

Juhu! Ich kann es noch gar nicht fassen... Nach der gestrigen Dogmatik-Prüfung hab ich es tatsächlich geschafft: Ich habe mein Theologie-Studium mit dem Diplom abgeschlossen. Das wochenlange Lernen hat ein Ende. Noch türmen sich Prüfungsunterlagen, Ordner, Skripte und Bücher in meinem Zimmer - aber: es ist tatsächlich vorbei. Das muss natürlich gefeiert werden! Und drum bin ich heute mit meinen Schwestern aus Haus Tabgha, bei denen ich mich in den letzten Wochen zum Lernen einquartiert habe und die mich in der Prüfungsphase so liebevoll begleitet haben, zur Dankwallfahrt nach Kevelaer aufgebrochen.

Einfach wunderbar! Festmesse mit Weihrauch und einem Chor aus Oxford – an Feierlichkeit kaum zu überbieten. Und dann auch noch eine sehr bethanische Überschrift über der Predigt: „berufen zur Hoffnung“. Ja, in unseren Konstitutionen heißt es: In jeder Situation der Einzelnen und der Gemeinschaft gilt als Leitmotiv der Wahlspruch P. Latastes: „Hoffen gegen alle Hoffnung“.

Ohne diese Hoffnung hätte ich es bestimmt nicht geschafft. Ich erinnere mich noch daran, wie ich die gesammelten Dogmatik-Skripte erstmals gesammelt vor mir liegen sah und angesichts der Stoffmenge dachte: Das schaff ich nie! Immer wieder kam ich beim Lernen an Punkte, wo ich meinte, dass wäre hoffnungs-los, das kann ich mir eh nicht alles merken. Und als ich in der Woche vor den Prüfungen mit vereiterten Nebenhöhlen krank im Bett lag und zwei Tage vor Beginn der Klausuren beim ärztlichen Notdienst statt an meinem Schreibtisch saß, sah ich meine Hoffnung auf ein baldiges Ende des Studiums schon schwinden...

Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg – so sagt man sprichwörtlich. Ich würde es heute umformulieren in: Wo eine Hoffnung ist, da ist auch ein Weg. Und wo noch kein Weg ist, da kann durch die Hoffnung einer entstehen.

Meine große Hoffnung, dass ich das Studium jetzt abschließen kann, hat sich erfüllt – und damit ist nun der Weg frei für all die Fragen, die mir kein theologisches Lehrbuch beantworten kann, weil sie meine ganz persönliche Berufung und meinen ganz eigenen Weg mit Gott betreffen. Jetzt geht es weiter mit dem lebenslangen Studium, das eine wichtige Säule in unserer dominikanischen Spiritualität ist. Gott sei Dank!

Sonntag, 3. Juli 2011

Ran an den Ball!

Mir ist gestern etwas klar geworden: Fußball und Religion haben erstaunliche Parallelen!
Beim Fußball gibt es die unterschiedlichsten Arten von Fans. Manche sind unglaublich engagiert. Ich selber bin eher saisonal begeistert: während der WM teile ich Freude und Verzweiflung von unserer Mannschaft (egal ob Männer oder Frauen), aber dazwischen interessiert mich der Tanz mit dem Ball nicht weiter. Andere reden das ganze Jahr über immer wieder oder sogar immer nur über Fußball, kennen die Tabelle auswendig, die Aufstellung sowieso und wissen überhaupt genau Bescheid.
Aber von allen, allen diesen Fans (auch von mir) kommen Kommentare zum Spiel. Von "Mädels - Macht uns stolz!" über "Denen haben wir es aber gegeben!" bis zu "Oh, Mann, der hätt aber drin sein müssen!" und "Da läuft ja sogar meine Oma schneller!" Dabei haben die meisten dieser Kommentatoren nie einen Ball in der Hand gehabt - geschweige denn am Fuß.

Der Fußball braucht seine Fans (beim Eröffnungsspiel Deutschland-Kanada saßen über 72.000 im Stadion), ohne wäre er nur halb so schön. Allerdings: sie wären völlig überflüssig, gäbe es da nicht die 22 SPIELERINNEN!

Und wenn man es recht bedenkt, findet der richtige Fußball doch eigentlich auf dem Rasen statt. Und zwar nicht nur wenn Tausende zusehen, sondern immer dann, wenn sich ein paar zusammentun und anfangen zu kicken. DAS ist Fußball. Wer Tag für Tag trainiert und selber über den Rasen läuft, erlebt Erfolg und Niederlage ganz anders als die Zuschauer aus der sicheren Distanz der Tribüne.

Was hat das jetzt mit der Religion zu tun?

Ich meine, dass es hier genauso ist: Es gibt heute viele Menschen, die genau wissen, was so läuft. Sie verfolgen, was der Papst und die Bischöfe sagen oder schreiben. Sie sehen und hören in den TV-Nachrichten von religiös motivierten Konflikten irgendwo in der Welt. Sie erleben in ihrem Umfeld, wie andere ihren Glauben praktizieren, dass Kopftücher getragen oder Kirchenglocken geläutet werden, dass in Klassenzimmern Kreuze hängen oder Geschäfte sonntags zu sind. Sie bilden sich ein Urteil darüber und kommentieren all das mehr oder weniger lautstark. Die Kommentare reichen von "Die spinnen ja! Alles Fanatiker!" über "Sollte verboten werden, ist gegen die Menschenwürde!" bis zu "Schön, dass es sowas heute noch gibt!" und "Wir lassen uns das im eigenen Land nicht verbieten."
Ich finde es gut, wenn sich die Menschen für Religion interessieren und sich eine Meinung bilden. Ich schaue auch immer mal bei anderen vorbei: Was lehrt eigentlich der Buddhismus oder der Hinduismus? Wie lebt man heute als Moslem oder als Jude? Aber davon bin ich noch nicht religiös.
Religion beginnt erst da, wo Menschen beginnen, Gott zu suchen. Wenn sie anfangen, zu beten und mit anderen über ihren Glauben, ihre Hoffnungen, den tieferen Sinn ihres Lebens zu sprechen, nicht nur über die äußeren Formen. Wer das täglich tut, wer eine Beziehung zu Gott hat und täglich pflegt - oder sie zumindest gerne hätte und sucht - der ist religiös. Der erlebt Höhen und Tiefen der Gemeinschaft der Gläubigen dann auch ganz anders als diejenigen, die in der sicheren Distanz der Zuschauer bleiben.