Sonntag, 19. September 2010

Weltjugendtag in Riga

Vor zwei Stunden dachte ich noch, es wird bestimmt nichts draus, aber jetzt... Wir fahren nach Madrid!
Heute abend war das erste Treffen einer kleinen Gruppe, die zusammen zum Weltjugendtag fahren will, im August 2011. Es sind Jugendliche aus unserer Sonntagsschule, deren Freunde, eine Studentin, die bei uns im Haus wohnt und eine junge Frau, die schon beim letzten Weltjugendtag mit unseren Schwestern in Köln war.
Ich selber bin eigentlich schon zu alt, der WJT ist gedacht für 16 bis 30jährige. Auch in Köln konnte ich nur noch als Organisatorin dabei sein. Damals waren wir Gastgeber, jetzt also andersherum. Spannend.
Riga - Madrid, das ist ganz schön weit. Wenn alle mitfahren, die heute da waren, dann wird die Gruppe ziemlich bunt gemischt. Teuer wird das Ganze, zu teuer für den einen oder die andere. Aber: wir kriegen das hin.

Ich mag Herausforderungen!

Sr. Barbara, Riga

Donnerstag, 16. September 2010

Dein Reich komme

Goldene Ketten
In einem Juwelierladen sehe ich eine Figur, die geradezu sinnbildlich für New York steht: alles ist machbar, alles ist käuflich, alles gehört dem, der genügend Geld hat. Die Figur stellt eine Frau dar, die nichts trägt - außer goldener Ketten an den Füßen...
Der heutige Tag steht im Zeichen des Eröffnungsgottesdienstes der 65. Vollversammlung der Vereinten Nationen. Am Nachmittag gibt es ein Treffen der NGO's mit dem Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, Monsignore Kuriakose. Bei ihm ein Priester, der mit ihm zusammenarbeitet. Thema der diesjährigen Vollversammlung sind die 8 Milleniumziele, im Zentrum die Abschaffung der Armut in der Welt. Davon sind wir noch weit entfernt! Msgr. Kuriakose unterstreicht die Bedeutung, für die Entwicklung im ganzheitlichen Sinn einzustehen.
Briefing der Vertreter des Heiligen Stuhl
Der Heilige Stuhl hat bei der UNO nur Beobachterstatus, und das ganz bewußt: wer abstimmen kann, verliert seine Neutralität, weil er sich zu einer Seite schlägt. Aber die Vertreter des Heiligen Struhl haben viel Einfluss, den sie auch nutzen, wenn es darum geht, Themen wie Menschenrechte, Afrika, Klima-gerechtigkeit, Human Trafficking etc. ins Gespräch zu bringen. Es tut gut, zwei so engagierte Vertreter der Kirche vorzufinden, die die Sache des Evangeliums vertreten wollen.
Generalsekretär Ban Ki-Moon
Am Abend ist der Eröffnungsgottesdienst, zu dem der Erzbischof von New York eingeladen hat. Vertreter vieler Religionen und Konfessionen sind der Einladung gefolgt, ebenso Mitglieder des Diplomatischen Korps, Josef Daiss, der Präsident der Vollversammlung - und Ban Ki-Moon, der Generalsekretär. 
Im Zentrum steht der Text aus dem Matthäusevangelium: ich war hungrig, und ihr habt mir nicht  zu essen gegeben. Ich war nackt und ihr habt mich nicht bekleidet... Wenn wir dies endlich ernst nähmen, wenn wir wahr machen könnten, was Jesus uns vorgelebt hat - dann könnte das Reich Gottes schon heute Wirklichkeit werden!
Dies ist der letzte Bericht meiner USA-Reise. Ich hoffe, diejenigen, die die Berichte verfolgt haben, konnten damit etwas anfangen. Danke für Ihr Interesse! Bis auf ein Wiederlesen!
Sr.Sara, z.Zt. New York

Mittwoch, 15. September 2010

Laus im Pelz

Das ist wohl die beste Umschreibung der Arbeit der NGO (Nicht-Regierungs-Organisationen) bei der UNO! Dank Sr. Margaret Meace habe ich die Gelegenheit, an zwei Komitee-Sitzungen teilzunehmen. Es ist harte Arbeit: wie finden wir den besten Weg, um irgendwie die Regierungen der Welt auf die Probleme der Zivilgesellschaft - sprich: der einfachen Menschen - hinzuweisen?
Trinity Church -
die älteste Kirche von New York
Ich lerne, dass dies grundsätzlich nur gemeinsam geht. Einzelkämpfer und Leute, die persöliche Erfolge verbuchen wollen, sind in den NGOs fehl am Platz. Es wird abgesprochen, zu welchen Themen z.B. wer ein Statement verfasst, das dann entweder mündlich bei einer offiziellen Kommissionssitzung der UN vorgetragen werden kann oder schriftlich eingereicht wird. Es wird versucht, Texte vorzubereiten, die der Generalsekretär evtl. in seinen Reden mit verarbeitet, so dass die Regierenden damit in Kontakt kommen. Es wird versucht, Best-Praxis-Beispiele aufzubereiten, denn manch gutwillige Regierung vor allem kleinerer Staaten ist dafür dankbar, weil man schlicht nicht weiß, wie manches Problem anpacken.
Sr. Margaret im Büro der NGO
Hier in New York geht es dabei um alle möglichen Themen von sozialer Gerechtigkeit: Rechte der Frauen, dauerhafte Arbeitsplätze, Klimawandel, Nachhaltigkeit, Armutsbekämpfung, kaum ein Thema, das nicht die Aufmerksamkeit der NGO's hat. Es ist spannend, dies hautnah mitzubekommen. Die Arbeitsbedingungen sind sehr einfach, und der Platz in den Konferenzräumen begrenzt.
Nächste Woche werden die Regierungschefs erwartet. Dann hätte ich keine Chance gehabt, hier irgendwo mitzugehen, auch wenn die NGOs nicht in den UNO-Räumen arbeiten. Während der nächsten Woche wird das Gelände rings um die UNO hermetisch abgeriegelt. Heute konnte ich wenigstens einen Blick in den Plenarsaal werfen und an einer Führung teilnehmen.
Ground Zero
Am Nachmittag gehen wir zu Ground Zero. Es ist bedrückend. Sr. Margaret macht mich darauf aufmerksam, dass es ein Wunder in allem Elend war, dass die Türme in sich zusammengefallen und nicht explodiert oder umgekippt sind. Es ist unglaublich, dass die Häuser rundum noch stehen. Eine große Wunde in dieser Stadt, nicht nur äußerlich!
Beim Rundgang durch die Stadt kommen wir an der Trinity-Church vorbei. Sie erinnert mich an die Arbeit der NGOs. Scheinbar bedeutungslos, wird diese Kirche schon lange von den Wolkenkratzern überragt. Und trotzdem...
Sr. Sara, z.Zt. New York

Dienstag, 14. September 2010

Geburtstag

Sr.Margaret mit Sr.Veronika,
ehemalige Generalpriorin von Amityville
Heute ist unser Gründungstag - Kreuzerhöhung, der Tag, an dem die ersten Schwestern das kleine Häuschen in Venlo bezogen. Außerdem ist heute der Festtag der Schwestern von Amityville, denn sie sind von Regensburg, dem Kloster "Heilig Kreuz" aus gegründet worden. 
Sr. Margaret Meace, Schwester von Amityville und Vertreterin der Nordamerikanischen Dominikanerinnen bei der UNO, holt mich in New York vom Flughafen ab. 
Ich lerne, dass von Amityville aus 12 andere Kongregationen in den USA gegründet wurden! Viele dominikanische Gründungen in diesem Land haben ihre Wurzeln in Deutschland - Augsburg oder Regensburg. Beeindruckend, was aus kleinen Anfängen gewachsen ist.
Jones Beach in New York
Heute ist ein ruhiger Tag. Wir gehen zur Jones Beach, genießen bei herrlichem Sommerwetter den Atlantischen Ozean, und abends verwöhnt Sr.Margaret uns mit einem Abendessen - mit Sauerkraut!!! 
Morgen wird ein spannender Tag: Besuch bei der UNO, vermutlich auch bei Ground Zero. Ich freue mich drauf.

Sr. Sara, z.Zt. New York

Montag, 13. September 2010

Große kleine Welt

Kapelle im Mutterhaus von Racine
Auch heute ist der Tag wieder voller dominikanischer Begegnungen. 
Als erstes Racine: eine Kongregation, die von den Dominikanerinnen von Regensburg aus gegründet wurde. Die Fragen ähneln sich überall: was machen wir mit dem riesigen Haus? Wie gestalten wir das Älterwerden? Wie geht es weiter? 
Sr.Suzanne Noffke
mit ihrer großen Schwester
Caterina von Siena
In Racine treffe ich Sr. Suzanne Noffke, eine ausgewiesene Expertin für Caterina von Siena. Sie wird im Januar nach Deutschland und in die Schweiz kommen, und wir planen einige Veranstaltungen mit ihr. Neben den Treffen junger europäischer Dominikanerinnen wird dies vor allem ein Studientag am 13. Januar 2011 in Speyer sein, zu dem alle deutschsprachigen Dominikanerinnen eingeladen werden sollen.
Ich erzähle viel von den Modellen der Ordensgemeinschaften in den Niederlanden: neue Leitungsformen unter Einbeziehung von Laien, gemeinsame Häuser für die alten Schwestern, Regelung des geistlichen und materiellen Erbes. Die Schwestern sind sehr interessiert, und es kommt die Idee auf, einmal eine Studienreise für US-Dominikanerinnen in die Niederlande zu organisieren. In Europa sind wir in Alterungsprozess etwa 10 Jahre weiter als die USA. Aber diese Idee ist spannend: es wäre etwas Neues, von den USA aus als Lernende zu kommen. Große kleine Welt!
Sr. Rose Mary, DSI-Koordinatorin,
mit Schwestern von
Springfield und Sinsinawa
Das Haus, in dem unsere Schwestern in Kenosha gelebt haben, finden wir nicht, und auch das Haus in Chicago müssen wir passieren lassen. Man kann nicht alles, die Zeit rennt.
Am Abend dann ein interessantes Gespräch mit Schwestern von Springfield / Illinois. Sr.Alice ist Berufungsbeauftragte des Bistums Chicago. Auch hier können wir viel Gemeinsames feststellen: wachsendes Interesse am Ordensleben, aber auch wachsendes Bedürfnis nach Strukturen und Sicherheit. Wir können so viel voneinander lernen! Es ist gut, sich ab und zu zu realisieren, wie klein unsere eigene Welt ist und wie groß die Welt Gottes.
Sr. Sara, z.Zt. Chicago

Sonntag, 12. September 2010

Pfingstliche Sprachverständigung

In den USA sind die Schulbusse gelb!
Hier in Sinsinawa lebt eine Schwester, die ursprünglich aus Leiden/NL kommt und sich freut, ihr Niederländisch benutzen zu können. Auch Deutsch ist heute gefragt: wir besuchen Sr. Fidelis. Sr.Fidelis war eine Schwester des Instituts St. Dominikus, bis die amerikanische Provinz etwa 1985 selbständig wurde. Als die neue Kongregation auf 35 Schwestern zusammengeschrumpft war, wurde sie Teil der Dominikanerinnen von Sinsinawa. 
Sr. Fidelis ist eine der letzten und die Älteste dieser Gruppe, 92 Jahre alt, und lebt im Plegeheim. Sie kann sich noch gut erinnern, wie es war, als sie Deutschland verließen: aus Angst, Hitler würde alle katholischen Schulen schließen und alle Schwestern verfolgen, wurden etwa 1935 Schwestern für eine Neugründung in die USA geschickt. Sr.Fidelis erzählt von ihrer glücklichsten Zeit, als sie bei Indianern gearbeitet hat. Sie freut sich, Deutsch sprechen zu können. Eine schöne interkontinentale Begegnung! 
Sr. Sara mit Sr. Fidelis,
ehemalige Dominikanerin
vom Institut St. Dominikus
Zusammenarbeit gab es schon viel im Laufe der Gechichte, in jeder Form, wir sollten uns ab und zu darauf besinnen.
An diesem Wochenende sind auch die assoziierten Laien von Sinsinawa zu Besuch. Etwa 200 Assoziierte zählen zur Kongregation: Freunde, Bekannte, ehemalige Schwestern - alle, die gern mehr zu Sinsinawa gehören würden, ohne eintreten zu müssen. Aber auch, ohne gleich in die Strukturen der Laiendominikaner integriert zu werden, einfach in einer freieren und freier gestalteten Form. Auch in den Niederlanden gibt es dies ja sehr viel, und in der Kongregation haben wir früher öfters darüber gesprochen. Es ist interessant, mehr darüber zu hören und auch Informationsmaterial über dieses dominikanische Form der Assignation zu bekommen.
Zufahrt zum Kloster,
dem sog. Mound (Berg)
Bei Tisch treffen wir uns mit einigen Ratsschwestern. Die Kongregation hat keine Provinzen mehr und kämpft mit ähnlichen Problemen wie wir: viele alte Schwestern, wenige Eintritte seit dem Konzil, Schwierigkeiten bei der Besetzung von Leitungsaufgaben durch die jüngere Generation. Es ist interessant sich über Modelle von Leitung auszutauschen, Erfahrungen vor allem aus den Niederlanden weiter zu geben und voneinander zu lernen.
Die Schwestern laden mich ein, nach Tisch ein wenig von uns zu erzählen, und ich erzähle von P.Lataste, der Gründung Bethaniens, den Erfahrungen von Norfolk und von DSE. Dafür erfahre ich eine Menge über den Gründer dieser Kongregation: P.Samuel Mazzuchelli OP, der 1847 die erste Gemeinschaft gründete und in vielem seiner Zeit weit voraus war: Übersetzung der Bibel und von liturgischen Texten in die Sprache der Indianer, Mädchenbildung auf demselben Niveau (einschließlich Naturkunde) wie die Jungen, Einsatz für Gerechtigkeit. Es gab und gibt viele großartige Menschen in unserem Orden, viele Vorbilder, die uns inspirieren können!
Sr. Sara, z.Zt. Sinsinawa

Samstag, 11. September 2010

Auf dem Mississippi!

Sr.Mary -Ellen in ihrem Büro
Sr. Mary Ellen o'Grady ist die Geschäftsführerin der Dominican Leadership Conference in den USA, einem Zusammenschluss von dominikanischen Kongregationen und den Provinzen der Brüder. Zumindest bis zum 4. Oktober. Dann werden die Brüder aus der DLC ausscheiden, und andere Frauenkongregationen werden beitreten. Es hat sich gezeigt, dass dies eine viel sinnvollere Struktur ist. Die Brüder sind im Orden anders organisiert als die vielen unabhängigen Kongregationen der Frauen. Die DLC besteht bereits seit 1935. So lange ist Zusammenarbeit schon Thema, aber es ist auch in den USA so aktuell wie selten zuvor. Die Dominican Sisters of Peace, der Zusammenschluss von 7 unabhängigen Gemeinschaften zu einer ganz neuen Ordensgemeinschaft, ist das bekannteste Beispiel. So weit muss es nicht immer gehen. Die Themen gleichen den unseren: gemeinsames Noviziat, gemeinsames Altern, schwesterlicher Austausch und gegenseitige Unterstützung sind wichtige Themen.
Sr. Mary Ellen zeigt mir ihr Büro, und dann fahren wir weiter nach Wiscousin, 3 Autostunden von Chicago entfernt (man darf in der USA nur 90 fahren...), in ihr Mutterhaus in Sinsinawa. Eine einheimische Kongregation mit immer noch mehr als 540 Schwestern, etwa so viel wie Dominikanerinnen in ganz Deutschland. Der Gründer, P.Samuel Mazzuchelli OP, war ein Pionier: er begann bereits um 1830 mit Schulbildung für Indianer und Mädchen, revolutionär für seine Zeit.
"Gerechtigkeit" war ihm ein großes Anliegen, und es ist wohl kein Zufall, dass die derzeitige internationale Co-Promotorin für Gerechtigkeit und Frieden im Orden, Sr. Tony Harris, eine Sinsinawa-Dominikanerin ist.
am Mississippi
Für einen USA-Neuling wie mich ist alles spannend: die indianischen Hintergründe, die für unsere Verhältnisse extrem kurze Geschichte, die Bootsfahrt auf dem Mississippi - immer eine neue Überraschung! Ich merke, wie sehr sich mein Wissen aus Büchern und Filmen meiner Jugend speist: Mark Twain, Onkel Toms Hütte, Unsere kleine Farm - alles ist plötzlich lebendig!
Sr. Sara, z.Zt. Chicago

Freitag, 10. September 2010

Kleiner Kontrast

Neu-England und Chicago sind nicht so ganz dasselbe! Heute ging es von dem idyllischen Städtchen Millis in die 6-Millionen-Stadt Chikago an den Michigansee. Ziel: Sr.Mary Ellen o'Grady, die derzeitige Generalsekretärin der Dominican Leadership Conference. 
Sr.Mary Ellen vor der Skyline von Chicago
Die Dominikanerinnen und Dominikaner, einschließlich der Laien, unterhalten einen gemeinsamen Dachverband, der hier in Chicago ein eigenes Büro unterhält und u.a. den NGO-Status für die Familia Dominicana in den USA bei den Vereinten Nationen unterhält.
Chicago ist aber noch unter anderen Gesichtspunkten spannend: unsere Kongregation hatte hier einmal eine Niederlassung. Nicht sehr lange, aber immerhin - es hat etwas von "Auf den Spuren von..."
Sr. Mary Ellen holt mich am Flughafen ab und macht eine kleine Stadtrundfahrt mit mir. Zum Mittagessen fahren wir in den 96. Stock eines der Wolkenkratzers - eine grandiose Aussicht über die Stadt! Chicago ist vollig flach, und dank des guten Wetters können wir sehr weit schauen.
Dominican University Chicago
Danach fahren wir zur Dominican University. Hier treffen wir Sr. Janet Welsh, die die Leiterin des Forschungsprojektes zur Erforschung der Geschichte der Dominikanerinnen und Dominikaner in der USA ist. Spannend! Viele Kongregationen haben ihre Wurzeln irgendwo in deutschen Klöstern, aber es gibt auch einheimische Gründungen. Ein erster Band zur Geschichte  der Dominikanerinnen und Dominikaner ist bereits erschienen. Es besteht der große Wunsch, die Geschichte aufzuschreiben und die Archive zu sichern. Außerdem würde Sr.Janet gern mehr Austausch mit europäischen Projekten pflegen, um eine breitere Sicht zu erhalten. Da haben wir ja in den Niederlanden mit der großen Biographie über den Orden von Mariet Monteiro und einigen anderen Arbeiten einiges zu bieten. 
Sr.Jeanette stellt ihr Buch vor
Die Dominikanerinnen von Bethanien von Mont sind in diesem Institut bekannt, aber unsere Schwestern stehen (bisher) nicht auf der Liste. Auch wenn Bethanien-Venlo nicht gerade das kirchliche Leben in den USA geprägt hat, waren wir doch an mehreren Orten, und Sr. Jeanette hat großes Interesse, hier mehr zu erfahren.
Chicago ist in all seiner Größe noch überschaubar, eine gut geordnete Stadt, deren ältestes Gebäude noch keine 200 Jahre alt ist. Hier gehen die Uhren in jeder Hinsicht anders! Morgen geht es dann nach Sinsinawa, einer einheimischen Gründung mit Speyer-Hintergrund.
Sr. Sara

Donnerstag, 9. September 2010

Noch einmal: Bethanische Gemeinschaft

 Thanksgiving-Dinner
bei Sr. Renata

Heute begegnen wir noch einmal einer Gemeinschaft, die von den Idealen von P.Lataste inspiriert ist: der "Community of the Resurrection" im Bergland von Maine. Man könnte meinen, in der Schweiz zu sein - nach der Atlantikküste ein absoluter Kontrast. Dieses Land ist in jeder Hinsicht vielfältig! Die Assoziation zur Schweiz ist nicht zufällig. Sr.Renata, die Gründerin und Priorin, ist Schweizerin und war früher Mitglied von Bethanien-Mont. Nun lebt sie mit fünf anderen Schwestern und einigen Freunden sowie drei Hunden in dieser wunderbaren Gegend. Die Hunde sind nicht zufällig - die Hundezucht ist die Haupteinnahmequelle dieser kleinen Gemeinschaft. Außerdem haben sie die Möglichkeit, Frauen in Not für einige Zeit aufzunehmen.
Die Sprachverwirrung ist komplett, denn Sr.Renata und Sr.Pia Elisabeth fügen den bisherigen Sprachen Englisch, Französisch und Deutsch auch noch Schwyzerdütsch hinzu!
Abschied: Sr. Sara, Sr.Pia Elisabeth
Die Schwestern haben uns ein verfrühtes Thanksgiving - Dinner vorbereitet. Thanksgiving ist eigentlich erst Ende November. Aber schon heute dürfen wir echten amerikanischen Truthahn genießen, dazu Bakes Potatoes, Dressing with Masherd Potatoes, Cranberrysauce und Peas and Carrots, und als Nachtisch Pie mit Icecream. Eine echte Überraschung - und ein Genuss! 
Danach heißt es Abschied nehmen: Sr. Pia Elisabeth wird bis Sonntag hier bleiben und von Maine aus nach Paris zurück fliegen. Ich fahre mit Ruth und Kathleen zurück nach Millis, und morgen wird der "dominikanische Teil" meiner Reise beginnen.
Es ist nicht einfach, die neuen "bethanischen Freunde" zurück zu lassen, aber wir wissen, dass die Verbindung bleiben wird!
Sr. Sara, z.Zt. Maine

Mittwoch, 8. September 2010

Ein Tag am Atlantischen Ozean

am Strand
Was "bethanische Gemeinschaft" bedeutet, haben wir gestern noch einmal sehr eindrücklich von Ruth erfahren. Die Gefangenen erzählten, dass Ruth eines Tages den kleinen Gefängnisfriedhof gemeinsam mit den Freiwilligen einmal gründlich in Ordnung gebracht hat: aufgeräumt, die Gräber gerichtet, die Kreuze geputzt, Blumen gepflanzt. Für viele der Lebenslänglichen wird dies auch ihre letzte Ruhestätte werden, wenn sie keine Familie mehr haben, und viele fürchten sich davor, hier auch noch begraben zu werden. Aber Ruth hat bereits jetzt schon einen Antrag gestellt, dass sie nach ihrem Tod ebenfalls auf diesem Gefängnisfriedhof begraben werden darf! Danach gefragt, sagt sie in aller Schlichtheit: "Dies ist meine Gemeinschaft!"
Ruth macht uns auch noch einmal klar, dass es keineswegs ein sozialer Aufstieg ist, wenn man im Gefängnis zur bethanischen Gemeinschaft gehört. Im Gegenteil: das Gefängnis ist eine Welt der Starken, der Machos, und wer sich zu den Werten des Evangeliums bekennt, passt dort nicht hinein und geht manches Risiko ein. Vor allem das Risiko, sich selbst bei den "Underdogs" wiederzufinden. Und trotzdem gehen die Männer diesen Weg.
Eleanors Haus: ein Traum
Wir genießen heute einen Tag am atlantischen Ozean. Eleanor hat uns eingeladen, einen Ruhetag in ihrem Haus direkt am Strand zu verbringen. Eleanor ist eine erstaunliche Frau. Ihr Mann und sie gehören zur Schicht der Reichen und Einflussreichen. Aber seit Eleanor ihre persönliche Bekehrung erlebt hat, gibt sie mit vollen Händen. Sie ist jetzt 74 Jahre alt, aber dreimal in der Woche verbringt sie Zeit in Norfolk. An den anderen Tagen arbeitet sie als Freiwillige in einem "Pro life"-Projekt und versucht, Frauen, die kurz vor der Abtreibung stehen, zum Austragen ihres Kindes zu bewegen. Sie kann ihnen viel Hilfe anbieten: materiell und seelisch, und sie kann ergreifende Geschichten erzählen. Dabei gilt ihr Interesse in erster Linie der Fau, denn sie hat genügend Erfahrung, um zu wissen, wie schwer viele Frauen an einer Abtreibung zu tragen haben. Es ist eine Entscheidung, die definitiv nicht mehr zurück genommen werden kann. Aber auch Frauen, die die Abtreibung haben vornehmen lassen, wenden sich an sie und ihre Organisation, wenn sie hinterher nicht mehr wissen, wie sie das Erlebte verarbeiten können.
Mittagessen nach der Messe
Ihr Haus am Meer ist einfach ein Traum. Sie ist nur am Wochenende hier, aber von Montag bis Donnerstag sind ständig Leute hier, mit denen sie diesen Reichtum freigebig teilt: Ordensleute, Freunde, Priester, wer auch immer. Ihr Traum ist, das Nachbarhaus für die schwangeren Frauen in Not nutzen zu können. Und wer Eleanor erlebt, weiß, dass dies kein Traum bleibt, wenn sie es wirklich will!
Sie hat einen Priester eingeladen, der mit uns heute am Fest von Mariä Geburt die Messe feiert. Danach verwöhnt sie uns mit einem guten Mittagessen, viel Zeit, herrlichen Zimmern und großer Gastfreundschaft. Am Abend erwartet uns ein Hummeressen - eine Spezialität für diese Gegend und für uns eine absolute Premiere! Wir lassen uns überraschen. Genau das Richtige für uns, um unsere Seelen nachkommen zu lassen!
Sr. Sara, z.Zt. Maine

Dienstag, 7. September 2010

Schon Abschied!

Heute Nachmittag haben wir nochmals die Gelegenheit, mit den Männern in Norfolk zu sprechen. Es ist das dritte Mal, dass wir hingehen. Die Männer sind uns schon sehr vertraut. Die Gesichter gehen mit uns. Phil hat diesmal seinen Hund mitgebracht. Im Gefängnis bilden Gefangene unter Anleitung Hunde zu Begleithunden für Behinderte aus. Sie nehmen sie überall mit hin und sorgen für sie, Phil ist stolz auf seinen Hund "Aristide".
Wir haben Fotos von der neuen Kapelle von Mont mitgenommen und erzählen den Männern davon. Einige haben ihre Portraits an den Künstler geschickt und werden später in der neuen Kapelle zu sehen sein. Man spürt das Bedauern, dass sie wohl nie die Gelegenheit haben werden, einmal selbst dorthin zu fahren. 
Richtig lebhaft wird das Gespräch, als es um die Seligsprechung geht. Die Kommission der Ärzte hatte das Wunder, die Heilung des Vaters einer Schwester auf Fürsprache von P. Lataste, bereits anerkannt, als die Theologen ihre Zweifel anmeldeten und neue Informationen verlangten. Das bringt die Männer geradezu in Rage. Sie haben selbst versucht, dem Heiligen Vater zu schreiben, und fragen immer wieder, ob sie nicht Wunder genug seien für eine Seligsprechung! Was kann es Größeres geben als die Bekehrung aufgrund der Worte von P.Lataste an diesem Ort?
Viele haben das Buch von Sr. Marie Emmanuelle "Maria Magdalena hat noch etwas zu sagen" gelesen, das ins Englische übersetzt wurde, und waren tief getroffen von den Worten der Predigt von P.Lataste. Und haben sie nicht Recht? Ist es menschlich erklärbar, dass Schwerverbrecher nicht nur neu ihren Glauben finden, sondern so weit gehen, Gemeinschaft leben und Profess ablegen zu wollen  und zwar nicht nur einige wenige? Wir können den Männern nur zustimmen!
Danach ist schon Abschied nehmen angesagt. Es ist schmerzhaft: Wir sind uns sehr nahe gekommen in diesen Tagen, und manche von ihnen werden ihr Leben hier verbringen müssen. Keine Chance, sich einmal zufällig irgendwo auf der Welt zu treffen. Manch einem stehen die Tränen in den Augen. Umarmen dürfen wir uns nicht - es ist den Männern verboten, Frauen zu umarmen -, aber wir haben uns auch so manches zu sagen.
Kathleen und Anne: "emotional erschöpft"
Wir lassen Brüder zurück: Josef, der auf das Urteil der Bewährungskomission wartet und vielleicht schon bald ins House of Hope ziehen kann. Moses, der am Sonntag Ewige Profess gemacht hat. Rocco, der schon seit 50 Jahren hier lebt und sich mit seinem Tod auseinander setzt. Michael, der gerade das Noviziat begonnen hat und hofft, nach 25 Jahren noch einmal eine Chance auf Bewährung zu bekommen. Frankie, der gerade seine Mutter verloren hat... Sie alle werden mit uns gehen in unserem Gebet und unserer Erinnerung.
Nghia, der im House of Hope lebt, hat für uns ein vietnamesisches Essen gekocht. Wir genießen den entspannten Abend, denn, wie Sr. Kathleen es ausdrückt, wir sind emotional erschöpft!
Saint-Exupéry hat im "Kleinen Prinzen" das bekannte Wort geprägt: "Du bist verantwortlich für das, was du dir vertraut gemacht hast". Unser Besuch in Norolk wird sicher nicht folgenlos bleiben!
Sr. Sara, z.Zt. Norfolk, USA

Montag, 6. September 2010

"Mahl mit den Sündern"

Sieger Köder hat ein berühmtes Bid gemalt, das er "Mahl mit den Sündern" genannt hat. Jesus hält Mahl mit allen Ausgestoßenen unserer Gesellschaft: Farbigen, Behinderten, Kranken, Stigmatisierten. Viele von uns haben dieses Bild schon oft meditiert. Aber noch nie habe ich dieses Bild gelebt!
Heute ist Labour Day, ein nationaler Feiertag zum Ende der Sommerferien, und Ruth und Kathleen haben die gesamte bethanische Gemeinschaft zu einem Barbecue eingeladen, bei dem jeder etwas mitgebracht hat. 
Wir beginnen um 12:00 h mit der Eucharistiefeier. P.Wayne lädt uns zu Beginn der Messe ein, uns kurz vorzustellen und zu sagen, was uns hierher geführt hat. Eine interessante Gesellschaft, Evangelium so konkret, wie ich es noch nie erlebt habe: der ehemalige Inhaftierte, der 29 Jahre gesessen hat, der Bruder eines Inhaftierten mit seiner Familie, die Freiwillige, die seit einigen Jahren nach Norfolk geht, der schwer behinderte Ex-Gefangene, der nun Laiendominikaner ist, der ehemalige Kriminelle, den P.Wayne im Gefängnis getauft hat, die Josephsschwester, das befreundete Ehepaar, das mit den Enkeln gekommen ist - eine bunt zusammengewürfelte Gesellschaft. Und alle haben dasselbe Recht, hier zu sein, an der Eucharistiefeier teilzunehmen und am anschließenden Festmahl, denn wir alle sind Sünder, die die Barmherzigkeit Gottes erfahren haben und aus seiner Gnade leben. 
"Ich bin zwar der, der als Priester der Eucharistie vorsteht, aber eigentlich sind wir alle es, die diese Eucharistie feiern, denn wir alle sind der Leib Christi", sagt P.Wayne bei der Eröffnung. Und so ist es: ein buntes Fest, das alle Grenzen sprengt, weil Christus alle Grenzen gesprengt hat. Das macht uns zu Schwestern und Brüdern. Die neue Wirklichkeit hat bereits begonnen, das Königreich Gottes ist schon da, mitten unter uns. P.Lataste hat es vor fast 150 Jahren bereits erfahren, und hier setzt es sich fort. Welche Gnade, daran teilhaben zu dürfen!
Sr. Sara, z.Zt. Norfolk, USA

Sonntag, 5. September 2010

"Wir haben Wunder gesehen"

Mit diesem Wort begann P. Lataste seine Predigt vor den Gefangenen in Cadillac, unter dem tiefen Eindruck dessen, was er in der Anbetungsnacht mit ihnen erlebt hatte.
Heute war ein solcher "Tag der Wunder". Zu Beginn der Festmesse sagte P.Wayne, dass jedes Ereignis für sich schon genug wäre, um Gott zu preisen: die Ewige Profess von Thomas und Linton, der Noviziatsbeginn von Michael und Dennis, die Aufnahme ins Postulat von Kim, Ryan und Frederick - die Tatsache, dass mit P. Nick ein Nachfolger als geistlicher Direktor der Laiengemeinschaft gefunden ist - der Besuch von Sr. Pia Elisabeth und mir - der Geburtstag von P. Lataste - und die Wahl des neuen Ordensmeisters P. Bruno Cadore am heutigen Tag. P. Bruno Cadore war bisher Provinzial in Frankreich und hat in dieser Eigenschaft viele Kontakte zu den Schwestern von Mont. Er gilt als Verehrer von P. Lataste, und nicht umsonst wird er an dessen Geburtstag gewählt worden sein! 
Gemalt von Mick, einem der "Lebenslänglichen"
Die Kapelle in Norfolk ist voll: ausser der Laiengemeinschaft ist auch die Spanisch sprechende Gemeinde anwesend, dazu viele Freiwillige, die diesen besonderen Tag nicht verpassen wollen. Die Seelsorge geniesst viel Vertrauen. Wir wundern uns, dass keine Wachleute anwesend sind, aber diese bleiben sehr diskret im Hintergrund und schauen nur ab und zu hinein, ob alles in Ordnung ist.
Die Aufnahme ins Noviziat verläuft geradezu klösterlich: die Kandidaten werden dreimal gefragt, ob sie bereit sind, und antworten auf „gut dominikanisch“: „Ich bin bereit, mit Gottes Hilfe und der Euren“. Sie erhalten ein sogenanntes kleines Skapulier, ein kleines Stoffstück, das ihnen umgehängt wird als Zeichen ihres Status als Novizen, und einen Ordensnnamen. Michael bleibt bei seinem Taufnamen, aber Dennis wählt: Johannes Josef Lataste. 
Mit den beiden Novizen hat es etwas Besonderes auf sich. Während Dennis eher zu den Schwachen zählt, die in der Gefängnisordnung ganz unten stehen, gehört Michael zu den Starken und Dominanten. Normalerweise schliesst ein Starker nicht mit einem Schwachen Freundschaft, das wäre ein Zeichen eigener Schwäche. Nun beginnen ausgerechnet diese beiden gemeinsam ihr Noviziat, und als sie vor Ruth und P. Wayne stehen, legt Michael seinen Arm um Dennis. Eine unerhörte Geste – eben „Bethanien“.
Thomas und Linton erhalten bei der Ewigen Profess das sog. Grosse Skapulier. 
In der Predigt spricht P. Wayne wiederum über die Bekehrung, die P. Lataste selbst in Cadillac erlebt hat. Er berichtet von den Frauen, die in Erwartung der üblichen Strafpredigt zu Beginn mit gesenkten Köpfen in den Bänken sassen. Als P. Latate seine Predigt begann und sie als seine lieben Schwestern ansprach, hoben sich langsam die Köpfe... Gottes Liebe kann man sich nicht vedienen. Sie ist schon da, einfach weil Gott Gott ist und sein Wesen Liebe. 
Eine solche Predigt in einem Gefängnis, in dem gerade Schwerverbrecher Gelübde ablegen, hat eine Wirkung, die nur schwer zu beschreiben ist. Jedes Wort trifft. P. Wayne hat Recht: das Reich Gottes hat schon begonnen, hier an diesem unglaublichen Ort. 
Nach der Kommunion tanzen drei Gefangene zusammen mit Sr. Anne, einer Josefsschwester, zu dem Lied über Bethanien, das wie ein von Gott gewebter Teppich ist, und dessen Muster wir nicht immer erkennen können.
 Es ist schwer zu beschreiben, was hier vor sich geht. Die Atmosphäre ist von Liebe geprägt, man kann es nicht anders ausdrücken. Die Männer sind sehr dankbar, dass wir sie für würdig befunden haben, die weite Reise zu machen, um heute bei ihnen zu sein. Dabei sind wir es doch, die sich so reich beschenkt fühlen! Hier in diesem Raum, unter den Augen Gottes, ist es nicht wichtig, was jemand getan und warum er „lebenslänglich ersten Grades“ bekommen hat. Was nicht bedeutet, dass hier einfach heile Welt ist, dazu haben die Männer viel zu viel zu tragen. Und doch hat sich für sie durch die Begegnung mit Gott ihr Leben grundlegend geändert. Sie sind nun im Gefängnis füreinander und für neu Hinzukommende Verkündiger der Botschaft von Gottes Barmherzigkeit geworden. 
Und wir durften heute Zeuginnen sein. Wir haben Wunder gesehen!
Sr. Sara, z.Zt. Norfolk, USA 

Samstag, 4. September 2010

Besinnung einmal anders!

Es war für uns eine große Überraschung, als Ruth uns gestern sagte, dass wir bereits heute mit ins Gefängnis gehen dürften. Zur Vorbereitung auf die Professfeiern am Sonntag sowie den Noviziatsbeginn zweier Postulanten sollte P. Wayne, der geistliche Leiter der Gemeinschaft, einen Besinnungstag halten. Welche Überraschung für uns! 
Das Bethany House
Ruth hatte uns genau instruiert: wir durften wirklich gar nichts mitnehmen, keine Armbanduhr, nur ein Kettchen mit Kreuz (für den Fall, dass wir zusätzlich noch eine Medaille trügen), nicht einmal ein Taschentuch war erlaubt! Leider auch kein Fotoapparat, so dass es von heute keine Fotos gibt. Morgen werden Fotos erlaubt sein, aber man ist im Gefängnis nun strenger geworden. 
In Norfolk sitzen etwa 1.500 Männer ein, mit unterschiedlichen Strafen. „Lebenslänglich“ ist unterteilt nach Schweregrad. Wer „lebenslänglich Grad 1“ hat, hat keine Chance, jemals wieder entlassen zu werden. Kathleen hat eine Gruppe mit 9 dieser Männer, die auch über Fragen sprechen wie „im Gefängnis alt werden und sterben“. Einer von ihnen ist Phil, der derzeitige Leiter der Gemeinschaft. Er war gerade mal 17 Jahre, als er zu „lebenslang Grad 1“ verurteilt wurde. Jetzt ist er etwa Mitte 40… Ein anderer erzählt uns, dass er seit 50 Jahren im Gefängnis ist! Aber die Männer, die zur Laiengemeinschaft gehören, haben einen Sinn in ihrem Leben gefunden, der ihnen ermöglicht, ihr Los zu tragen.
Die Begrüßung ist sehr herzlich, einfach brüderlich. Uns fällt sofort auf, dass viele der Männer den Frieden im Gesicht stehen haben. Nach und nach kommen noch einige Freiwillige, und hätten die Mitglieder der Laiengemeinschaft nicht die Anstaltskleidung – Jeans und T-Shirt – und das dominikanische Kreuz, wüssten wir nicht zu sagen, wer Freiwilliger und wer Inhaftierter ist. 
Wir beginnen mit der gemeinsamen Laudes. Die Band „Echo of Truth“ (Echo der Wahrheit) spielt „Amazing Grace“, das Lied über die unvorstellbare Gnade Gottes. Es ist bewegend, dieses Lied hier an dieser Stelle zu singen! So geht es auch mit dem Hören der Lesungen. Z.B. aus dem Römerbrief in den Laudes, der Text des heutigen Samstags: „Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Soweit es Euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden! Lasst Euch nicht vom Bösen besiegen, sondern besiegt das Böse durch das Gute!“
Nach den Laudes stellen sich die Männer kurz vor und sagen, wo sie auf ihrem Weg in die Laiengemeinschaft stehen. Etwa 40 Männer sind bereits Mitglied, viele haben Ewige Profess, und etliche Mitglieder leben nach ihrer Entlassung in einer anderen Laiengemeinschaft weiter.
Wir sind tief beeindruckt von dem, was die Männer teilen. Jemand sagt, das Bitterste einer langen Inhaftierung sei, dass man nach und nach sein soziales Netz außerhalb des Gefängnisses verliert und niemanden mehr hat, mit dem man Freude und Leid teilen kann. Dies sei die große Gnade der Laiengemeinschaft: wer zu ihr gehört, hat eine Familie im Gefängnis gefunden, die einander stützt und trägt. Ein anderer berichtet von den Gefühlen der Erniedrigung und Demütigung, die mit der Verurteilung und Inhaftierung einhergehen. Aber in der Laiengemeinschaft hat er erfahren, dass er so angenommen ist, wie er ist, als gleichwertiger, wertvoller Bruder. Es ist unglaublich, was die Gnade Gottes bewirken kann, wenn man sich ihr öffnet! 
Pater Jean Joseph Lataste, Gründer Bethaniens
Ein Mann erzählt, dass er in Kürze entlassen wird, und wenn der Bischof seine Zustimmung gibt, möchte er ins Priesterseminar gehen und Priester werden, um den Menschen von der großen, unendlichen Gnade Gottes zu verkünden. Ein anderer berichtet, dass er in einem Präventionsprojekt mitarbeitet, bei dem Jugendliche ins Gefängnis gebracht werden und Gefangene ihnen von ihrem Alltag erzählen und der ganzen Härte des Freiheitsentzugs, um Jugendliche vor dem Gefängnis zu bewahren.  Es ist ergreifend.
Nach dem Mittagessen, erzählen wir ein wenig von unseren Kongregationen. Wir haben für jeden ein Buchzeichen mit einem kleinen Stück Stoff mitgebracht, das mit P. Lataste in Berührung war, dazu eine Karte mit den Porträts von P. Lataste von Sr. Anne van der Putte und ein kleines Fotobuch mit Fotos von Montferrand. Die Freude ist groß. Aber Sr. Pia Elisabeth und ich haben das Gefühl, selber mindestens so reich beschenkt zu werden!
P. Wayne sagte in seiner Predigt gestern, das Reich Gottes sei schon gekommen, man müsse es nur sehen. Hier in Norfolk kann man es sehen: Gottes Liebe und Barmherzigkeit kann Menschen verändern, kann sogar ein Gefängnis in ein Kloster verwandeln, in dem Menschen trotz widrigster Umstände ein Leben der Nachfolge leben können. Wenn das nicht Reich Gottes ist!
Wir feiern noch gemeinsam Eucharistie. Danach müssen wir ziemlich überstürzt aufbrechen, weil wir die zugestandene Zeit schon überzogen haben. Aber morgen werden wir wieder hier sein und mit den Männern die Professmesse feiern – am Geburtstag von P. Lataste und an dem Tag, an dem der neue Ordensmeister in Rom gewählt wird!
Sr.Sara, z.Zt. Norfolk, USA 

Freitag, 3. September 2010

Bethanische Wunder

Beim Verfahren zur Seligsprechung unseres Gründers P. Lataste geht es derzeit vor allem um die Anerkennung des Wunders. Es wird eine physische nicht erklärbare Heilung verlangt, so sieht es das Kirchenrecht vor. Dagegen haben die Gefangenen in Norfolk, die hier im Geist von P. Lataste eine dominikanische Laiengemeinschaft bilden, ihre Einwände. Sie haben sogar dem Papst geschrieben und gefragt, ob es etwa kein Wunder sei, wenn Schwerverbrecher sich im Gefängnis bekehren und Gelübde ablegen?
Einige ergreifende Zeugnisse haben wir heute gehört.
Die Bethaniengemeinschaft ausserhalb des Gefängnisses, Bethany House Ministries, unterhält einen Second-Hand-Shop, in dem auch ehemalige Inhaftierte arbeiten. Sie haben einiges zu erzählen. Einer von ihnen fuhr zu einer Adresse, um dort gespendete Sachen für den Shop abzuholen. Die Frau, die ihm die Sachen geben wollte, fragte, für wen denn der Erlös bestimmt sei. Als er sagte, für die Gefangenen von Norfolk, sagte die Frau, damit wolle sie nichts zu tun haben, und es stellte sich heraus, dass sie selbst ein Kriminalitätsopfer war. Daraufhin gab der Mann zu erkennen, wer er war, und erzählte seine Geschichte – seine Karriere als Verbrecher, seine Bekehrung und seine Mitgliedschaft in der dominikanischen Laiengemeinschaft. Die Frau war von seinem persönlichen Zeugnis so berührt, dass sie selbst eine Bekehrung erfuhr und Frieden schließen konnte mit ihrem Schicksal.
Ein anderer ehemaliger Inhaftierter berichtet, dass er vorzeitig mit einer Bewährungsauflage entlassen werden sollte. Dazu musste er aber vor einer Kommission Rede und Antwort stehen, und auch die Opfer hatten das Recht, vor dieser Kommission zu sprechen und evtl. seine vorzeitige Entlassung zu verhindern. Und in der Tat – die Familie seines Opfers war zu dieser Sitzung gekommen. Aber anstelle ihn zu verurteilen, berichtete die Familie von ihrem grossen Schmerz, den er ihnen bereitet hatte, und sprach ihm Vergebung zu. Für ihn war es, als hätte er die Wunden Jesu am Kreuz berühren durfen. Eine grosse Stunde in seinem Leben, die ihn wirklich frei gemacht hat.
Wir sind gerade mal 24 Stunden hier, und wir haben schon so vieles gehört! 
P.Wayne feiert die Hl.Messe mit uns
Heute Nachmittag waren wir im Second – Hand – Shop und am House of Hope, einem Haus, in dem drei ehemalige Inhaftierte wohnen können. Der Shop bietet Arbeitsplätze fur einige Strafentlassene, und er wird sehr gut angenommen. Das Sortiment ist sehr vielfältig. Auch hier schlägt sich die Wirtschaftskrise nieder, denn viele Menschen sind auf preiswerte Waren angewiesen. Ruth zeigt uns auch noch das Haus, in dem die Schwestern von Mont viele Jahre gelebt haben. Millis ist eine typische Stadt in Neuengland. Ich hatte nicht erwartet, so viele Holzhäuser zu sehen. Schöne Bauten der Mittelschicht, aber viele stehen leer, weil die Kreditkrise viele gezwungen hat ihre Häuser aufzugeben. 
Am Nachmittag kommt P. Wayne, zusammen mit zwei Laien-Dominikanerinnen, und wir feiern gemeinsam die Eucharistie und essen zu Abend. Morgen werden wir erstmals mit nach Norfolk gehen. Wir hatten gar nicht damit gerechnet, aber wir dürfen am Besinnungstag der Gefangenen zur Vorbereitung auf die Feiern am Sonntag teilnehmen. Das wird sicher ein ganz besonderer Besinnungstag für uns!Aber erst mal hoffen wir auf eine gute Nacht – hier wird der Hurrican “Earl” erwartet, der zwar nur noch als Tropensturm gilt, aber immerhin dafür gesorgt hat, dass der Flughafen von Boston heute abend geschlossen wurde. Wären wir einen Tag später gereist, säßen wir jetzt vermutlich in Reijkjavik fest…So freuen wir uns auf unsere Betten, die Zeitverschiebung sitzt noch in den Kleidern.
Sr. Sara, z.Zt. Norfolk, USA 

Angekommen!


Sr.Pia Elisabeth (Beth. Montferrand) und Sr.Sara (Beth. Venlo)


Wir - Sr. Pia Elisabeth und ich - können immer noch nicht glauben, dass wir nun im Bethany House in Millis/Massachussetts sind. Gestern war Reisetag: von Düsseldorf (Sr. Sara) bzw. Paris (Sr. Pia Elisabeth) aus ging es über Reijkjavik, wo wir uns trafen und gemeinsam nach Boston weiterflogen. Neben uns saß eine junge Frau aus Chemnitz, zum erstenmal allein unterwegs mit dem Flugzeug, die nach Toronto weiterflog, um ein Jahr in einem Projet der Heilsarmee mitzuarbeiten! Ganz schön mutig! Gerade als der Kaffee serviert wurde, gab es massive Turbulenzen, so dass der Kaffee ein gewisses Eigenleben entwickelte, aber ansonsten hatten wir einen guten Flug.
In Boston erwartete uns Ruth Raichle, die Gründerin der Bethanien - Gemeinschaft in den USA, die uns gemeinsam mit einem guten Freund, Charly, abholte.
Erste Überraschung: das Wetter. Ungewöhnlich warm für August, 34 Grad bei der Landung, und das nach 14 Grad in Reijkjavik! Nach einer guten Stunde Fahrt erreichten wir schließlich Millis, wo auch Kathleen, eine Franziskanerin, die gemeinsam mit Ruth hier im Bethany House lebt, uns erwartete. Und natürlich Alex! Alex ist ein junger Hund, der eigentlich im Gefängnis von Norfolk zum Begleithund für Behinderte ausgebildet werden sollte, sich aber als ungeeignet erwies, und nun die Gemeinschaft hier im Bethany House verstärkt.
Bethany House - ein Wohnhaus in der kleinen Stadt Millis/Massachussets, von wo aus Ruth und Kathleen dieses wunderbare Werk der bethanischen Gemeinschaft im und um das Gefängnis von Norfolk in Gang gebracht haben. Heute morgen nach dem Morgengebet - im Freien - konnten wir mehr darüber erfahren. Gary und Nia, zwei Mitglieder der dominikanischen Laiengemeinschaft, die im Second-Hand-Shop der Gemeinschaft arbeiten, waren zum Gebet gekommen, und auch Sr. Anne, eine Josephsschwester, die ebenfalls mit der Gemeinschaft verbunden ist. Und Bethany, eine kleine Hündin, die Nia gehört und ebenfalls mitbeten musste!
Ruth Raichle und Sr. Pia Elisabeth
Nia gehört zu den ersten Mitgliedern der Laiengemeinschaft, die 1998 gegründet wurde. Ruth ist im Gefängnis von Norfolk Seelsorgerin, und sie hatte eine Gebetsgruppe dort. Inspiriert von P. Lataste und dem Eifer der Inhaftierten, hatte sie die Idee, die Männer einzuladen, einen Schritt weiter zu gehen und eine dominikanische Laiengemeinschaft anzufangen. Der Provinzial und der Promotor der dominikanischen Laien der St. Josephsprovinz fanden die Idee sehr gut, und Ruth begann, mit den Inhaftierten den Vorbereitungsweg für das Postulat. Das fand der Provinzrat der Laien aber keine gute Idee, und zur riesigen Enttäuschung der Männer im Gefängnis mussten sie das Projekt stoppen und die Ausbildungsordnung zurück geben.
In dieser Zeit gab es in Texas einen zum Tode Verurteilten, der Mitglied einer anderen Laiengemeinschaft war. Er starb im Ruf der Heiligkeit. Als Henkersmahlzeit bat er um die Eucharistie, und er starb am Rosenkranzfest mit dem Rosenkranz in der Hand und dem "Stille Nacht" auf den Lippen. Davon hörte die Vorsitzende des Provinzrates und brachte die Frage von Norfolk erneut zur Abstimmung, mit einem einstimmigen Ja als Ergebnis! Aber dann schaltete sich Kardinal Law ein und verbot erneut das Projekt. Bis er eines Tages in Norfolk einem Gefangenen die Firmung spendete, da war auch er überzeugt! Heute, nach 12 Jahren, zählt die Gemeinschaft etwa 40 Mitglieder im Gefängnis. Gary und Nea berichten, was diese Gemeinschaft ihnen bedeutet hat; die Begegnung mit der Liebe Gottes hat ihr Leben verändert. Sie berichten, dass nach und nach auch die Wachleute davon ergriffen wurden, einfach dadurch, dass sie, die Inhaftierten, sich anders verhalten haben und Hass ablegen konnten. Kathleen ergänzt diese Erzählung um ihre Erfahrungen aus den Anfangsjahren, als sie mancher Schikane ausgesetzt waren. Heute geniessen sie das volle Vertrauen vieler Beamter. Einer hat einmal gesagt: "Ich dachte, ich arbeite in einem Gefängnis. Aber das ist ja das reinste Kloster geworden." Genau das!
So, nun wollen wir noch ein paar Orte hier in Millis besuchen. Heute Nachmittag kommt P. Wayne, der bisherige geistliche Leiter der Gemeinschaft von Norfolk, und wir werden hier die Eucharistie mit ihm feiern. Morgen gibt es sicher wieder jede Menge zu erzaehlen!
Sr. Sara, z.Zt. Norfolk, Massachusetts

chatten, mailen, bloggen

Gestern habe ich zum ersten Mal am Kirchenchat im Funcity-Kloster teilgenommen. War ganz interessant und lustig - aber du meine Güte geht das schnell! Ich glaube, ich bin zu alt dafür.
Da stellt einer eine Frage, du denkst: "Oh, gute Frage! Mal drüber nachdenken..." Da haben schon zwei geantwortet!!!
Ich maile lieber. Da konzentriert man sich ganz auf sein Gegenüber.
Wenn ich in der Öffentlichkeit diskutieren will, tue ich das im Forum auf unserer homepage oder auf facebook. Da kann ich wenigstens in Ruhe überlegen, was der andere gesagt hat und was ich sagen will.
Oder ich blogge! Da kriegt man zwar nicht so viele Reaktionen, aber man kann wenigstens etwas ausführlicher schreiben, was einen bewegt. Nicht immer nur zwei halbe Sätze.

Ob Gott wohl auch chattet? Oder ist Er eher ein Blogger?
Im Prinzip glaube ich ja, dass Er sich uns und unseren Möglichkeiten anpasst, damit wir Ihn verstehen können. Vielleicht kann Er also alles: Ich kann Ihm lange und ausführlich erzählen, was ich erlebt habe - und er hält aus, wenn ich gar keine Antwort haben will.
Er kann wohl auch ein kurzes, atemloses "Hi, wie geht's Dir? Schön, dass Du da bist! Muss gleich weiter..." aushalten, dass ich Ihm manchmal im Alltag entgegenschleudere.
Aber ich meine, am liebsten ist Ihm, wenn ich Ihm meine Sorgen und Gedanken erzähle und dann still werde - um die Antworten zu hören, die Er mir geben möchte.

Mittwoch, 1. September 2010

Wallfahrt nach Aglona III

...als wir dann in Aglona angekommen waren, wurde vor dem eigentlichen Fest ein Jugendtag veranstaltet. Neben anderen Aktivitäten bekamen die Ordens-gemeinschaften Gelegenheit, sich vorzustellen. Also durfte ich über mein Lieblingsthema sprechen: Die Dominikanische Familie.
Da ich ein visueller Mensch bin und außerdem mal mit Schwerhörigen gearbeitet habe, muss ich bei sowas immer auch was malen. Deshalb habe ich auf das alte Bild zurückgegriffen:
Die Familia Dominicana ist wie ein Baum mit 4 Zweigen - Nonnen, Brüder, Schwestern und Laien.

Mit den Jahren wird mir immer bewusster, wie wichtig es ist, zu einem großen, internationalen, 800 Jahre alten Orden zu gehören - und nicht nur zu einer klitzekleinen Schwestern-gemeinschaft aus dem 19. Jahrhundert.
Ich liebe meine Kongregation und bin gerne eine Schwester von Bethanien! Wir brauchen uns und unsere Geschichte nicht zu verstecken. Aber als Dominikanerin von Bethanien habe ich Familie überall auf der Welt, in Pakistan, im Irak, in Nigeria: Männer, Frauen, streng kontemplativ in ihren Klöstern lebend oder in den verschiedensten Berufen tätig mitten in der Welt, Priester ebenso wie Verheiratete.
Als Dominikanerin bekomme ich einfach einen weiteren Horizont.
Globalisierung im Namen Gottes und mit Hilfe des Heiligen Dominikus!