Dienstag, 31. März 2015

Judas im Gefängnis


In dieser Fastenzeit bekommen wir via email täglich einen Implus von der bethanischen Laiengemeinschaft in den USA, Norfolk. Der größere Teil der Gemeinschaft ist inhaftiert, sie haben sich wirklich von den Ideen unseres Gründers P.Lataste berühren lassen, der uns Gottes Vergebung verkündet hat - wo wir auch immer sind, was wir auch immer getan haben - wenn wir nur umkehren. Den heutigen Impuls gebe ich ungekürzt weiter, weil ich ihn so ergreifend finde.
 
Dienstag, 31. März 2015: Dienstag der Karwoche
Im Evangelium von heute sind wir zwei Mal mit Verrat konfrontiert: Judas, der Jesus ausliefert und Petrus, der Jesus verleugnet. Vor ein paar Jahren wurde ich gebeten, an einem Passionsspiel in der Karwoche teilzunehmen. Ich habe den Kürzeren gezogen und wurde gebeten, den Judas zu spielen. Ich wollte weglaufen. Wer will schon den Judas spielen? Also wirklich! Aber ich hatte meinen Freunden und noch wichtiger auch Gott mein Wort gegeben, bei der Produktion zu helfen. Also habe ich meinen Text und meine Bewegungen auswendig gelernt. Ich habe geprobt und geprobt – und mich die ganze Zeit davor gefürchtet, was die Leute denken würden, wenn sie sehen, dass ich den Judas spiele. Dann kam der große Tag. Die Szene verlangte von mir, dass ich zu Jesus gehe und ihn umarme und zusehe, wie die römischen Wachen ihn packen und wegbringen, bevor ich von der Bühne renne. Als mein Stichwort kam, habe ich darum gekämpft mich zu bewegen. Ich war wie festgefroren, nicht vom Lampenfieber, sondern von der plötzlichen Erkenntnis, wie oft ich selbst Jesus schon verkauft habe aus Stolz, aus Habgier oder weil ich andere Sünden bedient habe. Es lässt sich nicht genau erklären, wie ich mich gefühlt habe, als ich mich durch die Szene bewegt habe. Als ich dann neben der Bühne stand, und mir den Rest des Stückes ansah, habe ich darüber nachgedacht, wie sehr ich auf mich selbst konzentriert war, als es auf die Aufführung zuging und wie wenig ich an Jesus gedacht habe – bis ich da stand Auge in Auge mit meinem Herrn, im Bewusstsein, dass ich ihn gleich verraten werde. Ich möchte das nie mehr wieder fühlen. Herr, ich bete, dass meine Aufmerksamkeit auf dich gerichtet bleibt, während ich versuche, dir zu dienen, nicht darauf, wie ich mich fühle, was ich will oder was ich denke, was die anderen von mir denken könnten. Hilf mir, niemals deine Liebe zu verraten – meine Rolle zu spielen nicht zu meinem eigenen Wohl, sondern zu dem meiner Schwestern und Brüder und natürlich für DICH.
James (Our Lady of Mercy Laiengemeinschaft im Gefängnis von Norfolk)
Bildquelle: Martin Jäger @pixelio.de

Freitag, 27. März 2015

Kompromisse im Reich Gottes


Nun sind die Frühschichten in der Fastenzeit für unsere Jugendlichen schon vorbei. Nächste Woche sind die meisten von ihnen unterwegs.
Zum Abschluss haben wir noch einmal überlegt, wie wir denn jetzt weitermachen, mit unserem neuen Blick auf die Welt. Wir haben erkannt und sind jetzt aufmerksam dafür, dass unser Konsum das Leben von Menschen in weit entfernten Ländern beeinflusst. Was wir kaufen, entscheidet darüber, ob in anderen Erdteilen Menschen gut oder schlecht leben - und es kann sogar das Klima verändern. Gedanklich ist unsere Welt zusammengerückt.
Und jetzt?
Werden wir ab heute anders leben?
Werden wir nur noch fair gehandelte Kleidung kaufen?
Lebensmittel nur noch von Gepa oder regional?
Elektrogeräte reparieren, statt sie neu zu kaufen?

Unsere Jugendlichen sind klasse! Sie sagten ehrlich: so konsequent sind wir nicht. "Manchmal will ich eben das geile T-shirt haben, dann ist mir egal, wie es produziert ist."
Soviel Ehrlichkeit öffnete die Tür zu einem Austausch über realistische Möglichkeiten, die Welt zu verbessern. Wir haben gar nicht das Geld, immer fair einzukaufen - aber wir können versuchen, manche Dinge zu vermeiden. Wir können unsere Grundhaltung verändern.
Sehr spannend fand ich persönlich es, noch einmal vom heimischen Supermarkt wegzuzoomen und erneut zu fragen: worum geht es eigentlich? Was wollen wir bewirken?
Wir wollen, dass es allen Menschen besser geht, und wir wollen die Schöpfung bewahren. Das dürfte ungefähr das sein, was Jesus "das Kommen des Reiches Gottes" nennt. Wenn wir an diesem Reich Gottes mitbauen wollen, dann haben wir etwas Großes im Sinn. Wenn ich mich also in meiner Kinderdorffamilie oder Gemeinschaft dafür einsetze, dass wir fair einkaufen, dann ist das gut. Aber wenn ich mich nicht durchsetzen kann, dann muss ich abwägen: Lohnt es jetzt, einen großen Konflikt zu beginnen? Verwirkliche ich damit Gottes Willen?
Ich mag die Arbeit mit Jugendlichen v.a. deshalb, weil man ihnen solche Fragen zumuten kann. Man muss ihnen keine einfachen Antworten mehr vorsetzen. Natürlich sind Jugendliche leicht begeistert und deshalb auch schon mal radikal, aber sie verstehen auch schon, dass das Leben aus Kompromissen besteht - sogar, wenn es um das ganz große Ziel geht.

Dienstag, 24. März 2015

Kinder einer Welt

Wow, die letzte Frühschicht war ganz schön dicht! 
Wir haben uns zuerst nochmal daran erinnert, worüber wir in den ersten drei Wochen der Fastenzeit gesprochen hatten: Kinderarbeit, Umweltverschmutzung, Klimawandel...
Das war ja alles ziemlich schrecklich, aber in dieser Woche war eine ganz andere Frage dran:
Wieso sollte uns das alles eigentlich interessieren?
Okay: wenn Kinder arbeiten müssen, damit wir billige Kleider kaufen können, ist das traurig. Aber diese Kinder sind weit weg, und jeder ist sich selbst der Nächste, oder?
Okay: wenn in verschiedenen Teilen der Welt Giftstoffe freigesetzt werden, ist das nicht schön, aber dann kaufen wir halt Bioprodukte ein und sind auf der sicheren Seite.
Okay: der ganze Klimawandel ist schlimm, aber die großen Stürme und Überschwemmungen betreffen doch hauptsächlich die Inseln da irgendwo bei Australien - uns nicht.
Also: warum sollten wir uns damit beschäftigen?
Die Jugendlichen sagten sofort, dass wir doch "alle Menschen" sind. Dass alle Menschen auch gleich wertvoll sind, ist aber eine Einstellung, die nicht selbstverständlich ist. Immer wieder gibt es Menschen, die meinen, sie seien wichtiger als andere.
Es gibt Weiße, die meinen, sie seien besser als Schwarze.
Es gibt Deutsche, die meinen, sie seien besser als Türken.
Es gibt Männer, die meinen, sie seien besser als Frauen.
Diese Reihe könnte man endlos fortsetzen.
Wir sind Christen. Wir wissen, dass kein Mensch mehr wert ist als ein anderer. Alle Menschen sind von Gott geschaffen - ohne Unterschied. Und alle Menschen sind von Gott geliebt - ohne Unterschied. Und deshalb kann es uns nicht egal sein, wenn ein Mensch leidet, ob er nun in Vanuatu lebt oder in Brasilien oder in Bangladesh oder in Nigeria.
Und weil Gott auch diese ganze Erde geschaffen und uns anvertraut hat, deshalb kann es uns nicht egal sein, was aus ihr wird. Wir sind nicht auf dieser Welt, damit es uns allein gut geht, sondern um die Welt insgesamt voran zu bringen. Das ist der Auftrag Gottes an uns.

Freitag, 20. März 2015

Blockupy auf christlich

Einige unserer Schwestern sind bei den "Ordensleuten für den Frieden" engagiert. Eine davon, Sr. Klarissa, lebt in Frankfurt. Als ich in den Nachrichten die Schlacht sah, die die Blockupy-Randalierer entfacht hatten, habe ich mir Sorgen um Klarissa gemacht, denn es war klar, dass sie irgendwo mit unter den Demonstranten gewesen war.
Heute schickte sie mir nicht nur einfach ein Lebenszeichen, sondern gleich dazu noch dieses Video, in dem sie ihr Anliegen - wie ich finde - super erklährt.


Sonntag, 15. März 2015

Fairtrade

In unserer dritten Frühschicht ging es um Lebensmittel. Inzwischen haben wir die Unterlage vervollständigt: die Welt ist jetzt rund. 
Europa wirkt plötzlich so winzig. Und doch wird überall auf der Welt alles mögliche für den europäischen Markt produziert: Kleidung, Unterhaltungselektronik, Lebensmittel. 
Die Wege, die z.B. so eine Banane zurücklegen muss, bis sie in unserem Supermarkt landet, sind enorm. Die Umweltbelastung, die dabei entsteht, ist es auch. Nun wollen wir niemandem seine morgendliche Banane ausreden - aber müssen wir wirklich Äpfel aus Neuseeland essen? Oder Erdbeeren im Winter? Und kann man einem Lebensmittel ansehen, ob es mit irgendwelchem Gift gespritzt ist? Oder ob Kinder an der Ernte beteiligt waren?
Die Jugendlichen hatten natürlich sofort verstanden und brachten selber Beispiele. Und wieder ging es uns nicht darum, schwarz zu malen, sondern darum, die Alternative aufzuzeigen. Beim gemeinsamen Frühstück gibt es ja auch jede Menge leckere Sachen mit Gepa- oder Transfair-Siegel.
Eine Jugendliche sagte wohl auch ganz klar: "die Biosachen sind immer teurer." Damit hat sie den Nagel auf den Kopf getroffen.
Woher das kommt, haben wir jetzt geklärt. Aber damit ist das Problem noch nicht gelöst. Unsere Jugendlichen gehören nicht zu den Menschen und werden nie dazu gehören, die sich locker mit Öko eindecken können, ohne dass es ihnen weh täte. Aber die Fastenzeit dauert ja noch in bisschen. Wir haben noch zwei Frühschichten, um darüber nachzudenken.

Dienstag, 10. März 2015

Bekehrung im Gefängnis

Heute ist der Todestag unseres Gründers, des Seligen Jean Joseph Lataste OP, des "Apostels der Gefängnisse". In dieser Fastenzeit bekommen wir per email tägliche Fastenimpulse von unseren Brüdern und Schwestern aus Norfolk, USA. Sie haben dort eine Bethanien-Gemeinschaft gegründet, von denen die meisten Mitglieder im Gefängnis einsitzen. G. ist inzwischen wieder entlassen. Von ihm ist der heutige Impuls:

Ich habe 22 Jahre im Gefängnis verbracht, 14 davon habe ich so gelebt, wie als ich 1984 zu einem Leben im Gefängnis verurteilt worden war. 1997 wurde ich bedrängt, ein Cursillo-Wochenende mit der Kirche mitzuerleben. Ich, einer aus der Masse der Männer, die andere verspotteten und lächerlich machten. Ich sah nur die Schwachen und Geringen zur Kirche gehen. Man muss wissen, es gibt eine Hackordnung im Gefängnissystem, bei der es darauf ankommt, welches Verbrechen man begangen hat und wie viele Freunde man gefunden hat. Heute verstehe ich, wie unfair das ist. 

Selbstbildnis: Mike zeichnet sich
und andere aus der Laiengemeinschaft
mit Pater Lataste hinter Gittern.
Zuerst war es nicht einfach, mich im Gefängnis zu verändern, besonders, weil ich als oben in der Hackordnung galt. Ich muss ehrlich sein, zuerst war es schwer, umzukehren, besonders, einer der Schwachen und Geringen zu werden, die in die Kirche gehen, zu essen und Umgang zu haben mit den „Leprakranken“, mit den „Verachteten“. 
1999 bin ich mit eingeschaltetem Fernseher in meiner Zelle eingeschlafen und wurde um 3.30 Uhr morgens von christlicher Musik geweckt; als ich auf den Fernseher geschaut habe, sah ich diese Bibelverse unten auf dem Bildschirm: 

Denn ich, ich kenne meine Pläne, die ich für euch habe - Spruch des Herrn -, Pläne des Heils und nicht des Unheils; denn ich will euch eine Zukunft und eine Hoffnung geben.  Wenn ihr mich ruft, wenn ihr kommt und zu mir betet, so erhöre ich euch.  Sucht ihr mich, so findet ihr mich. Wenn ihr von ganzem Herzen nach mir fragt, lasse ich mich von euch finden - Spruch des Herrn. 
(Jeremia 29, 11-13) 

Immer noch ist nicht bei mir angekommen, dass diese Worte ein Versprechen an mich persönlich sind. Als 2004 meine Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, hätte manch einer sich darüber gefreut, ich aber war habe mich gefürchtet und hatte Angst, weil ich die Bethanien-Gemeinschaft nicht verlieren wollte und die Liebe, die ich in Jesus gefunden hatte. Ich konnte nicht glauben oder hoffen, dass ich diese neue Reise mit Jesus in meinem Herzen fortsetzen würde, und dann wurde ich wieder zu Jeremia 29, 11-13 geführt. Und das bringt mich jetzt schon zum elften Jahr, in dem Gott sein Versprechen hält.
G., Ehrenamtlicher im Gefängnis und Mitglied der bethanischen Laiengemeinschaft Our Lady of Mercy.