Dienstag, 30. Juni 2015

Mörder!

Ich weiß nicht, ob das Strafmaß "lebenslänglich" gut oder schlecht ist, zu oft oder zu selten verhängt wird und ob es mehr Alternativen geben sollte. Aber eines ist mir in der Diskussion um die geplante Strafrechtsreform klar geworden:
In allen anderen Artikeln des deutschen Strafgesetzbuches werden Handlungen verurteilt. "Wer das und das tut, wird so und so bestraft." Andere Länder machen das auch bei Mord so: "Wer einen Menschen tötet, wird bestraft mit..." Nur wir machen bei diesem einen Delikt, bei §211, eine Ausnahme: "Der Mörder wird ... bestraft."
Durch die Tagesschau habe ich erfahren, dass diese Formulierung von den Nazis stammt und ich fände es wirklich gut, wenn sie geändert würde. Nicht wegen der Nazis. Sondern weil ein Denken aus ihr spricht, das - unabhängig von der Naziideologie!!! - immer noch weit verbreitet ist: der Täter wird mit seiner Tat identifiziert. Du hast gemordet, du bist ein Mörder. 
"Ja, was denn sonst?" höre ich jetzt die Einwände. "Wer gemordet hat, ist ein Mörder, ist doch klar." Ja, das ist schon richtig. Aber es geht um die Festlegung eines Menschen auf seine Tat. Beispiel:
Dennis macht mit 24 Jahren einen schrecklichen Fehler. Er lässt sich in eine krumme Sache reinziehen und begeht einen Mord. Er wird zu lebenslänglicher Haft verurteilt und nach 20 Jahren wegen guter Führung wieder entlassen. In der Haft hat er seinen Schulabschluss nachgeholt und sich verändert. Er ist bei seiner Entlassung noch keine 45 Jahre alt. Natürlich ist er immer noch ein Mörder, aber er hat die Tat weit hinter sich gelassen. Er möchte von vorne anfangen. 
Jetzt ist die Frage, ob wir einen Menschen verurteilen, weil er gemordet hat, oder weil er ein Mörder ist. Das eine ist Vergangenheit, das andere ist Gegenwart und bleibt vor allem auch in Zukunft so. Diese Wahrnehmung lässt Dennis keine Möglichkeit, sich zu verändern und jemals wieder ein volles Mitglied unserer Gesellschaft zu werden. Im Grunde schließt sie auch die Vorstellung echter Reue aus.
Nun wird man natürlich sagen müssen, dass das Opfer schließlich auch keinen Neuanfang machen kann. Das ist zwar richtig, nur gilt das leider bei so manch anderen Vergehen auch, z.B. hätte Dennis betrunken am Steuer einen Unfall gebaut, könnte u.U. ebenfalls ein Opfer lebenslange Schäden davontragen. Trotzdem würde außer den Zeitungen mit den großen Buchstaben niemand Dennis dauerhaft als den Unfallfahrer bezeichnen (hoffentlich). Wenn er aufhört zu trinken, würde man bald sagen, dass da einmal ein furchtbarer Unfall passiert ist, dass Dennis einmal einen schrecklichen Fehler gemacht hat.
Mich beschäftigt das Thema, weil es den Kern unserer Spiritualität trifft. Wir Dominikanerinnen von Bethanien sind gegründet für Frauen, die im Gefängnis rechtskräftig verurteilt waren. Im Frankreich des 19. Jahrhunderts hatten sie nach ihrer Entlassung keine Chance auf eine echte Rehabilitation. Doch unser Gründer, der Dominikaner P. Johannes Josef Lataste merkte, dass einige von ihnen eine Berufung zum Ordensleben hatten. So gründete er unsere Gemeinschaft, in der es keine Rolle spielen sollte, wer eine belastete Vergangenheit hatte und wer nicht. Das ist bis heute so. Jeder Mensch bekommt bei Gott eine neue Chance, wenn er oder sie sich bekehrt und neu anfangen möchte. Es gibt viele große Heilige als Beispiele dafür: Maria Magdalena, Paulus, Augustinus...
Auch wenn wir kein Kapitalverbrechen begangen haben, so leben wir doch alle von der Barmherzigkeit Gottes. Wie könnten wir einem Mitmenschen, der seine Fehler bereut und neu anfangen möchte, die zweite Chance verweigern?

Sonntag, 28. Juni 2015

Wackelzahn

Manchmal ist es ganz schön schwierig, in der Kirche ernst zu bleiben. Auch wenn es eigentlich um tiefere Dinge geht... Ich erzähl mal der Reihe nach:
Heute in der Messe  bin ich wie üblich zur Kommunion gegangen. So richtig können wir Menschen ja nicht verstehen, welches Wunder dort passiert, aber wenigstens versuchen wir es. Gott wird Brot, er macht sich winzig klein, um uns nahe zu sein. Mit solchen oder ähnlich frommen Gedanken stehe ich also in der Reihe, bin dran: "Der Leib Christi." "Amen." Schon will ich wieder zurück an meinen Platz, da sehe ich aus den Augenwinkeln neben mir Moritz*. 
Moritz ist fünf und weiß natürlich, dass er da vorne noch nicht dieses komische Plätzchen bekommt. Er geht trotzdem mit, weil der Priester allen Kleinen immer die Hand auf den Kopf legt. "Segnen" nennt das seine Kinderdorfmutter. 
Ich sehe also, wie er vor Pater Manuel steht, einem dominikanischen Mitbruder, der heute zur Messe gekommen war. Und bevor ich noch abdrehen und meiner Wege gehen kann, höre ich ein lautes: "Guck mal!" Da steht der Knirps und zeigt stolz einen Wackelzahn! Wer will denn gesegnet werden? Manchmal gibt es einfach Wichtigeres! Und Pater Manuel? Guckt sich das an und antwortet freundlich: "Oh ja, der muss aber bald raus!"
Den weiteren Dialog habe ich dann nicht mehr verfolgt, ich fand, anstandshalber sollte ich wenigstens so tun, als würde ich beten. Es ist mir natürlich nicht richtig gelungen, dazu hat mich diese kleine Szene zu sehr beschäftigt.
Ich fand das so beispielhaft für unsere Spiritualität: so sollen wir Dominikaner/innen sein. Wenn einer kommt und den Leib Christi erfragt, gibst du ihm den Leib Christi. Wenn aber einer kommt und dir etwas völlig anderes zeigt, das ihn bewegt, dann drängst du ihm Gott nicht auf, sondern interessierst dich erst mal für das, was diesen Menschen umtreibt. Wer weiß, vielleicht kommt ihr später noch auf Gott zu sprechen. Wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. 
Na, und plötzlich war ich dann doch noch bei meiner Meditation angekommen, wenn auch ganz anders als gedacht: Gott macht sich klein. Er wird Brot, er wird Mensch. Er unternimmt alles, um uns nahe zu sein. Darum können wir ihm auch immer und überall begegnen. Auch in einem Kind mit Wackelzahn. 
Wenn das kein Wunder ist...

*Name wie immer bei unseren Kinderdorfkids geändert

Freitag, 26. Juni 2015

Frag doch mal ... nach der ewigen Verdammnis

Frag doch mal die Schwester, Teil 11:
Eigentlich war es nur Spaß, ein Foto auf Facebook, über das man den Kopf schüttelt und lacht, vielleicht sogar ein fake, wer weiß... Es ging um die Hölle und wer da alles reinkommt (Surfer, Skateboarder, Vegetarier, usw.). Aber dann wurde eine ernste Frage daraus:
"Gibt es einen Maßstab oder ein Merkmal, an dem ich erkennen kann, ob mich nach meinem irdischen Tod nicht auch der ewige Tod erwartet? Wenn ja, welchen?"
Das ist wieder so eine Frage, zu der es meterweise theologische Literatur gibt. Vielleicht klären wir erst mal die Begriffe: "ewiger Tod", was kann das sein? In diesem Zusammenhang meinte es die Hölle, aber was heißt das jetzt wieder?
Ich erkläre die Hölle gerne als ewiges Getrenntsein von der Liebe Gottes. Dazu passt auch die Formulierung "ewiger Tod", denn davon wäre das Gegenteil das "Ewige Leben" und bedeutete das Eingehen in die Liebe Gottes, die ewige Einheit mit Gott, umgangssprachlich eben den Himmel.
Dabei gehe ich von christlichen Vorstellungen und Lehren aus.
Also: woran kann ich jetzt erkennen, ob ich in die Hölle komme?
Jede Religion hat andere Vorstellungen von der Hölle und was man tun muss, um sie zu vermeiden. Das Christentum sagt klar: alleine schafft der Mensch das nicht. Muss er aber auch nicht. Denn Gott will nicht, dass wir Menschen verlorengehen, er will uns seine Liebe schenken und uns in seine Nähe holen. Weil wir zu schwach sind, diese Liebe richtig zu erwidern, hat er seinen Sohn Jesus geschickt, um uns den Weg zu zeigen und auch gleich von unserer Schuld zu befreien.
Ist denn jetzt alles gut? Die Hölle sowieso leer? Wozu die Aufregung?
Nein, so einfach ist es doch nicht. 
Gott schenkt uns seine Vergebung, seine Gnade. Dafür müssen wir nichts tun, nichts leisten. Wir müssen sie nur annehmen.
Es genügt, an die Liebe Gottes zu glauben und sie anzunehmen, dann ist uns das Ewige Leben sicher. (Natürlich hat dieser Glauben Konsequenzen. Wer glaubt, dass er von Gott so sehr geliebt ist, wie könnte der noch Böses tun? Aber das nur in Klammern, versteht sich ja eigentlich von selbst, oder nicht?) 
Beantwortet das schon die Frage? Ich fürchte nicht. Es fehlt noch ein entscheidender Punkt. Der Maßstab ist die Liebe. Habe ich die Liebe, dann habe ich das Leben. Aber woran erkenne ich das? Nun, man kann Gott einfach immer wieder fragen. Wer mit Gott spricht, hat die beste Chance, ihn irgendwann auch zu hören und zu verstehen. Konkret heißt das: Wir hören Gott in unserem Gewissen, in der Bibel, in der Lehre der Kirche. Und auch, wenn man doch mal gegen die Liebe verstößt (wir sagen "sündigt"), dann kann man immer noch die Kurve kriegen. In manchen Fällen hilft die Beichte, aber es gibt auch andere Arten, mit Gott wieder ins Reine zu kommen. Eine Garantie gibt es allerdings nicht. Wir können keine Platzreservierung für den Himmel erwerben, wir können nur an die Gnade Gottes glauben und auf seine Barmherzigkeit vertrauen. Er will unser Leben, nicht unseren Tod. Diesen Maßstab hat uns Jesus gezeigt.

Donnerstag, 25. Juni 2015

Frag doch mal nach der Hölle...

Frag doch mal die Schwester, Teil 10
Im Januar und Februar hatte ich hier die Reihe "Frag doch mal die Schwester" gestartet. Nach einer längeren Zwangspause gibt es jetzt endlich eine Fortsetzung und zwar mit einer Frage, die mir oft gestellt wird:
Gib es eigentlich eine Hölle?
Wie immer bekommt ihr hier keinen Überblick über die theologisch-wissenschaftliche Diskussion. Ich gehe lieber anders an die Frage heran und setze dabei das christliche Gottesbild voraus:
Da sehen wir (ganz am Anfang der Bibel, im Buch Genesis) einen Gott, der den Menschen nach seinem eigenen Abbild erschafft, Ihm ähnlich (Gen 1,26). Er gibt ihm Regeln (nicht vom Baum der Erkenntnis essen!), aber er gibt ihm auch die Freiheit, sich an diese Regeln zu halten oder sie zu brechen - was der Mensch ja auch prompt tut. Als der Mensch vom Baum der Erkenntnis gegessen hat und ihm die Augen aufgehen für Gut und Böse, da vertreibt Gott ihn aus dem Paradies. Diese Erfahrung machen wir in der Tat: jedes Kind lebt sozusagen im vollkommenen Glück (Essen, Schlafen, jeden Tag neue Wunder entdecken), bis es versteht, dass es Gut und Böse gibt.
Aber diese Erkenntnis ist uns wichtig. Wir wollen keine Kleinkinder bleiben. Wir wollen mündig werden, wissen und verstehen, was los ist und Entscheidungen treffen. Im Leben und im Glauben.
Das ist in Ordnung, Gott respektiert unseren Wunsch nach Freiheit. Er will uns sogar frei.
Der Vater sah ihn schon von weitem kommen.
Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn.
Evangelium nach Lukas 15, 20
Durch die ganze Bibel zieht sich immer wieder die Aussage, dass Gott den Menschen liebt. Er will nicht unseren Tod, sondern unser Leben. Und Gott möchte, dass wir seine Liebe erwidern. Immer wieder wird dies unmittelbar mit der Erfüllung der Gebote verknüpft: "wenn Du den Herrn, deinen Gott, liebst, auf seinen Wegen gehst und seine Gebote achtest" (Deut 31). Im Neuen Testament wird es noch deutlicher: Jesus sagt unmissverständlich, dass Gott uns liebt und sehnsüchtig darauf wartet, dass wir auf diese Liebe antworten. Eine der schönsten Beispielerzählungen dafür ist die vom barmherzigen Vater bzw. vom verlorenen Sohn: Der Sohn wendet sich vom Vater ab. Als er schließlich seinen Fehler einsieht und umkehrt, erwarten ihn nicht Vorwürfe und Strafe, sondern ein Vater, der nur darauf gewartet hat, dass er endlich zurückkommt (Lukas 15, 11-32). Aber Liebe kann man nicht erzwingen. Liebe erfordert Freiheit.
Nun zur Hölle: Wenn Gott unsere freiwillige Liebe möchte anstatt unseren Gehorsam zu erzwingen, dann endet diese Haltung Gottes nicht nach unserem Tod. Er will unser Leben und unsere Erlösung, er bietet uns seine Nähe und Liebe an, aber wenn wir das partout nicht annehmen wollen, wird er uns nicht zu unserem Glück zwingen. Wir können uns gegen Gott entscheiden, auch in alle Ewigkeit. Und die Ewigkeit von Gott getrennt, das nennen wir halt Hölle. Ihre Existenz ist eine logische Folge der Freiheit des Menschen.
Es bleibt noch eine weitere Frage, nämlich ob jemand in der Hölle ist. Kann wohl ein Mensch, der die Herrlichkeit Gottes geschaut hat, sie immer noch ablehnen? Aber diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, hier kann ich nur hoffen...

Bild: Dieter Schütz@pixelio.de

Mittwoch, 24. Juni 2015

Jona, geh nach Ninive!


Viele Menschen überall auf der Welt bemühen sich um die Ökumene und den interreligiösen Dialog. Das ist manchmal ganz leicht und manchmal ziemlich mühsam, aber immer lohnend. Wenn ich mich in meinem Glauben wohlfühle und ihn als wahr und richtig erkannt habe, hindert mich das nicht, mit Menschen anderen Glaubens zusammen zu kommen. Im Gegenteil: es kann überaus bereichernd sein zu erfahren, wie andere Gott und die Welt sehen.
Bildquelle: Radio Vatikan/AP
Da finde ich es einfach wunderbar, wenn es Orte gibt, die von Menschen verschiedener Religion gemeinsam als Pilgerstätte betrachtet werden. Ein solcher Ort war das Grab des Propheten Jona. 
Jona hatte nach jüdisch-christlicher Überlieferung von Gott den Auftrag bekommen, die Menschen in der Stadt Ninive zur Umkehr zu rufen. Mit Erfolg. Die Bevölkerung zeigte Reue und Gott verschonte Ninive - soweit die Erzählung der Bibel. Auch im Koran wird der Prophet Jona erwähnt, sein Grab war ein Pilgerziel für Muslime ebenso wie für Christen. Es lag in den Ruinen der antiken Stadt Ninive, in der Nähe der heutigen Stadt Mossul. 
Heute berichtete Radio Vatikan über die Zerstörung und Planierung dieses Grabes durch die Fanatiker des sogenannten Islamischen Staates. 
Natürlich: Der IS richtet viel Zerstörung an und begeht sicherlich schlimmere Verbrechen als ein antikes Grab zu planieren. Aber ich finde, hier wird der Fanatismus besonders deutlich: Ohne Sinn und Verstand zerstören sie brutal und barbarisch einfach alles, was nicht in ihre enge Vorstellung von Religion passt. Ich hoffe, dass wir ihnen nicht auf den Leim gehen. Lassen wir uns nicht blenden von ihrem Hass! Wichtig sind bei dieser Meldung nicht die Fanatiker des IS, sondern die Gläubigen von zwei Religionen, die an denselben Ort gepilgert sind - und beide Opfer wurden.

Montag, 22. Juni 2015

Heilige Orte

Am 17. Juni hat in Charleston, USA, ein 21jähriger Weißer an der Bibelstunde einer Methodistengemeinde teilgenommen und anschließend offenbar aus rassistischen Motiven neun der schwarzen Gemeindemitglieder erschossen. Fast zur selben Zeit, in der Nacht vom 17. auf den 18. Juni, verübten am anderen Ende der Welt jüdische Fundamentalisten einen Brandanschlag auf das Kloster in Tabgha, dem Ort am See Genezareth, wo die wundersame Brotvermehrung stattgefunden haben soll. Dort gab es zum Glück keine Toten, aber ein 80jähriger Mönch und eine 20jährige Volontärin mussten ins Krankenhaus, die Kirche ist völlig ausgebrannt.
Wieso erzähle ich das? Ist doch alles bekannt!
Kreuz am See Genezareth
Bild: Gerhard Prantl / pixelio.de
Man könnte über diese Vorfälle hinweg gehen. Man muss ja nicht alles kommentieren, es passiert schließlich ständig etwas Neues, und es geht auch immer noch schlimmer. Aber diese beiden Vorfälle picke ich aus all dem Schlimmen heraus, weil sie noch etwas anderes verletzen als den Körper. Sie zerstören nicht nur ein Gebäude und nehmen mehr als neun Menschenleben.
Es geht mir darum, dass beide Attentate an heiligen Orten verübt wurden. In Charleston hatten sich Menschen in einer Kirche versammelt, um die Bibel zu studieren. Sie suchten Gemeinschaft und Frieden. Wer die Bibel liest, beschäftigt sich mit der "Frohen Botschaft" (=Evangelium), dass Gott die Menschen liebt und ihnen nahe ist. Ähnlich ist es in Tabgha. Dort ist ein Benediktinerkloster, das von vielen Menschen besucht wird. Tabgha ist ein Ort der Gemeinschaft, der Ruhe und des Friedens.
Warum bringen Menschen ausgerechnet an solche heiligen Orte, an Orte, die Menschen von Unruhe und Unfrieden heilen können, Tod und Schrecken?
Ich wünsche der Gemeinde in Charleston, den Mönchen in Tabgha und auch allen, die von diesen Vorfällen hören und lesen, dass wir uns nicht von dem Hass anstecken lassen, den die Täter verbreiten. Versuchen wir lieber, den Frieden in uns aufzunehmen, den die Opfer in sich hatten und haben und geben wir ihn weiter, auch jetzt noch. Gerade jetzt!

Samstag, 20. Juni 2015

Normal

Heute hatte ich im Kölner Priesterseminar zu tun. Als ich anschließend meinen Wagen wieder von dem Grundstück runter auf die Kardinal-Frings-Straße Richtung Heimat fuhr, kam mir ein Fußgänger entgegen. "Armer Kerl, so müde und abgekämpft, wie Du aussiehst, hast Du heute bestimmt schon einiges hinter Dir" dachte ich so, da merkte ich, dass er mein Nummernschild scannte. Er wollte wohl wissen, ob er die Schwester, die da aus dem Priesterseminar kam, kennen musste. Auch ich sah mir jetzt das Gesicht an. Mmh, kam mir irgendwie bekannt vor! Und dann passierte etwas Komisches: mein Gehirn schickte mir einen Namen zu dem Gesicht, bestätigte ihn und geriet dann in Verwirrung. Der Name war Woelki, und mein Gehirn beharrte darauf, dass der zu dem Gesicht gehört. Aber eine andere Abteilung meines Gehirns widersprach: "Zu 'Woelki' gehört aber auch 'Kardinal' und Kardinäle schleppen sich nicht müde zu Fuß durch Köln!"
Natürlich hat diese Verwirrung tatsächlich nur etwa eine Sekunde angedauert. Es ist ja bekannt, dass Kardinal Woelki anders lebt, normaler, bescheidener. Natürlich passt dazu, dass er zu Fuß geht! Und dass er am Ende der Woche müde ist (war nicht gerade erst gestern abend diese riesige Flüchtlingsgedenkfeier auf dem Roncalliplatz? Ja klar!), das wundert mich nicht wirklich.  
Rainer Maria Kardinal Woelki
Foto: Erzbistum Berlin
Trotzdem ist mir seither dieses Bild nicht aus dem Kopf gegangen. Ich finde es ja gut, dass Rainer Maria Woelki so normal wie möglich leben möchte. Nein, das ist zu schwach. Ich habe großen Respekt davor! 
Ich frage mich nur, wie er das durchhalten will. Er führt halt kein normales Leben, denn er hat ja keinen normalen Beruf. Ich meine damit nicht, dass er aufgrund der besonderen Weihe besondere Privilegien beanspruchen müsste oder so etwas. Solche Gedanken sind mir fremd. Mir geht es schlicht und einfach um das Arbeitspensum. Kardinal von Köln, das macht man nicht nebenbei. 
Und so hoffe ich, Kardinal Woelki nimmt genug Hilfe in seinem Alltag an, dass er noch lange für die Menschen in seinem Bistum da sein kann. Und uns Gläubigen wünsche ich immer mehr Bischöfe, die möglichst normal und nah bei den Menschen sein möchten. Back to the roots!

Sonntag, 14. Juni 2015

Kinder.Kunst.Festival.

Heute hatten wir unser großes Sommerfest. Was soll ich sagen? Es war einfach toll! Stimmung, Leute, Wetter - alles vom feinsten. Alle im Kinderdorf hatten sich was einfallen lassen und machten entweder zum Thema "Kinder.Kunst.Festival." Programm wie Steine sägen, Luftballontiere oder Theater, oder sie sorgten für das Drumherum, dass alle sich wohl fühlen konnten.
Natürlich gibt es auch Traditionen, die gepflegt werden müssen: Reinhard bot wie immer Floßfahrten auf unserem Weiher an, die Cafeteria war wieder auf unserer Terrasse vor dem Haupthaus und das Ponyreiten hinten im Schwesterngarten. Trotzdem war beim Thema Kunst auch da manches ein bisschen anders...
Danke allen, die das möglich gemacht haben!



Dienstag, 9. Juni 2015

Begeisterung


"Toll!" "Super!" "Die viele Arbeit hat sich echt gelohnt!" "Das müssen wir unbedingt wiederholen!" "Ich freu mich schon auf die nächste Jugendmesse."
So äußern sich Jugendliche und junge Erwachsene zu einem Jugendprojekt ihrer Pfarrei. Was war es? Ein Konzert? Eine Gospelmesse? Eine Jugendfreizeit oder aufwendige Auslandsreise? Nichts von alledem.
Die Jugendlichen hatten an Fronleichnam innerhalb der Prozession einen Stationsaltar gestaltet. Also: völlig normales Fronleichnamsfest mit völlig normaler Prozession, Messdiener, Weihrauch und was so an Drumherum dazugehört. Und natürlich mit dem völlig unverfälschten Kern: Jesus wird in Form der gewandelten Hostie in einer Monstranz durch die Straßen getragen und verehrt.
An dieser traditionellen Feier beteiligten sich die Jugendlichen also durch die Gestaltung einer von mehreren Stationen der Prozession und trugen so zur Verehrung des Allerheiligsten bei. Sie hatten dabei ihren eigenen Stil. Sie gaben ihrem Stationsaltar den Titel "Standsicher" und gestalteten ihn nicht konventionell mit weißem Tuch und Kerzen, sondern mit Holzpaletten und Schuhen. Sie hatten sich das gut überlegt und Texte dazu geschrieben.
Ich kenne diese ganze Aktion leider nur aus dem Internet. Genauer gesagt habe ich die Bilder entdeckt als Teil eines kleineren shitstorms, den ein besonders rechtsgläubiger Katholik losgetreten hatte. "Blasphemie!" "Unwürdig!" "Unfassbar!" So ungefähr waren die Kommentare zum Allerheiligsten auf einem Altar aus Schuhen. Virtuelle Prügel wurde angedroht, dem Bischof war das Ganze sowieso schon gemeldet worden.
Wohlgemerkt: auch diese Kommentierer kannten die Aktion nur aus dem Netz, kannten nur drei Bilder und interessierten sich weder für die Erklärungen der Jugendlichen, bzw. der begleitenden Hauptamtlichen noch für die Texte. In ihren Augen war die Sache klar: ein liturgischer Missbrauch, ein schweres Ärgernis, das man nach den Richtlinien von "Redemptionis sacramentum" umgehend dem Bischof nicht nur melden darf sondern sogar melden sollte.
Ich bewundere die jungen Leute, die sich nach und nach zu Wort meldeten, dabei aber ruhig und erstaunlich höflich blieben. Was sie sich an Beleidigungen gefallen lassen mussten, ist nicht zitierfähig. Ich kann durchaus verstehen, warum sich Menschen von diesen Bildern verletzt fühlen - wenn ich diese Gefühle auch nicht teile. Aber dass Katholiken derart hasserfüllt über andere Menschen herfallen, dafür schäme ich mich sehr.
Davon unabhängig ist die Frage, wieso diesen rechtsgläubigen Pharisäern ein weiß gedeckter Altar wichtiger ist als eine Gruppe begeisteter junger Leute, die offenbar wirklich intensiv über ihren Glauben nachdenken und ihn auch lebendig feiern. Aber das wird wohl ihr Geheimnis bleiben. Eine Kirche, die nichts Besseres zu tun hat, als ihre eigene Jugend wegen liturgischer Formalitäten beim Bischof zu denunzieren, während um uns herum die Welt brennt und nach Erlösung schreit, verdient es auszusterben.
Aber nein, so negativ möchte ich diesen Artikel nicht beenden. Lieber möchte ich meinen Blick auf diese standsichere Jugend richten, die es bestimmt schaffen wird, die Botschaft vom barmherzigen Gott allen weiterzusagen, die sie hören wollen: bunt, froh, vom Heiligen Geist durchweht!