Donnerstag, 30. April 2015

Deine Arbeit - Dein Leben

Morgen ist der Tag der Arbeit. Das kommt gut aus, weil dann der WDR seine Sendung "Deine Arbeit, Dein Leben" ausstrahlt, im Fernsehen eine Dokumentation (20:15 Uhr) und im Radio ein dazugehöriges Hörspiel (1LIVE und WDR 3 um 23:00 Uhr).
Warum ich dafür Werbung mache? Nun, wir sind dabei! Jeder in Nordrhein-Westfalen konnte ein 8-min-Video über die eigene Arbeit an den WDR einsenden. Daraus ist dann eine Collage über das Arbeitsleben der Menschen in NRW geworden. Als ich diese Ausschreibung gelesen habe, fand ich, in einem solchen Film sollten auch Ordensleute vorkommen. Eine Kollegin hat mir geholfen, und es entstanden schöne Szenen: im Kinderdorf, in der Schwesterngemeinschaft, im Büro, usw..
Aus dem Film sind wir schließlich doch rausgeschnitten worden. Im Trailer ist eine Szene noch drin (Link oben), aber das ist nicht mehr aktuell, die Elefanten waren wohl schöner. Macht nix, immerhin sind wir in die Radiosendung gekommen.
Der Autor des Radiohörspiels rief bei mir an, weil er eine Nachfrage hatte und sagte mir, besonders habe ihn meine gute work-life-balance beeindruckt. Das hat er wirklich so genannt, es kommt auch im Beitrag selber vor.
Ich glaube ja, er überschätzt mich, weil ich in dem kurzen Video meine Schokoladenseite zeigen konnte. Aber im Prinzip bemühe ich mich schon darum, mein Leben im Gleichgewicht zu halten und dabei der Arbeit den Platz zu geben, der ihr zusteht - und nicht mehr. Unser Leben ist so viel mehr als unsere Arbeit - oder jedenfalls sollte es das sein. Wäre es nicht so, was sollten dann diejenigen sagen, die nicht arbeiten, z.B. weil sie keine Arbeit finden oder krank sind oder alt?
Nein, das kann es nicht sein! Unser Leben ist mehr, viel mehr als unsere Arbeit. Oder mit dem alten Zitat gesprochen: Wir arbeiten um zu leben - aber wir leben nicht um zu arbeiten!  
Nun habe ich es natürlich leicht: ich habe eine Gemeinschaft, die mich immer wieder zu einem regelmäßigen Tagesablauf nötigt. So entsteht ein ständiger Wechsel von Gebet, Arbeit, Gemeinschaft und Alleinsein. Wirklich ausbalanciert bin ich nicht immer. Auch Ordensleute sind überarbeitet, öfter als gut ist. Aber wir passen aufeinander auf und erinnern uns gegenseitig daran, dass es Wichtigeres als die Arbeit gibt.
Aus der benediktinischen Tradition gibt es den Satz: "Du wirst mit deiner Arbeit sowieso nicht fertig. Dann ist es auch egal, wann du unterbrichst, um zum Gebet zu gehen." Daran denke ich manchmal, wenn es zum Abendgebet, der Vesper, läutet und ich "noch ganz schnell" irgendetwas bearbeiten will. Das Gebet ist die Pause, die meiner Arbeit überhaupt erst ihren Sinn gibt - und mir neue Kraft.
Ich wünsche Ihnen ebenso wie mir (weiterhin) eine Arbeit, die Freude macht und von der man leben kann. Dazu den nötigen Abstand von dieser Arbeit und genug Zeit für Familie, Freunde, Gott, den Nächsten und ein Lächeln zwischendurch, Zeit zum singen, lesen, lachen, weinen, faulenzen und genießen.

P.S. am Freitag abend: Wir waren doch drin! Hier gibt es den Film zum Nachsehen, in der Mediathek.

Sonntag, 26. April 2015

Unendliche Weiten

Wurzeltrollwohnung mit gepflegtem
Vorgarten (englischer Rasen)
Schon als Kind hatte ich viel Phantasie. Lange bevor Astrid Lindgren "Ronja Räubertochter" schrieb und wir von Rumpelwichten und Graugnomen erfuhren, war mir klar, dass die Wurzeln großer Bäume auf jeden Fall bewohnt sind.
Das sieht man doch!
Ich rede nicht von dem Alter, wo man das wirklich glaubt, der magisch-animistischen Phase, sondern von den wunderbaren Jahren, in denen man schon einen ziemlich realistischen Blick hat, aber immer noch genug Kind ist, um in seinem Geist unendliche Weiten zu öffnen. Im Spiel geht alles. Ich kann Cowboy und Indianer sein, Ritterfräulein und Drachentöter, Raumschiffkapitän, Agentin, Fee oder Zauberer...
Mehrfamilienhaus mit zwei separaten Eingängen
- und Einliegerwohnung im Keller!
Ich glaube, dass diese Jahre unglaublich kostbar sind. Früh genug müssen wir lernen, dass eben nicht alles möglich ist, wie klein unsere Welt ist, wie groß die äußeren Zwänge und wie beschränkt unsere Möglichkeiten. Umso wichtiger ist es für die Entwicklung eines Kindes, einige Jahre den Geist frei streifen zu lassen und unbeeindruckt von Denkverboten einfach alles zuzulassen. So können sich Vorlieben, Interessen und Träume entwickeln, die später vielleicht einmal zu Visionen werden. Eine erste kindliche Einordnung der Welt geschieht.
Manchmal glaube ich, dass in unserer Gesellschaft viele Kinder zu wenig von dieser Freiheit haben. Welche Achtjährigen können denn noch alleine durch den Wald streifen und sich dort von der Natur anregen lassen? Wie viele Kinder kennen verschiedenste Comic- und Fantasygeschichten - aber aus dem Fernsehen, nicht aus ihrer eigenen Phantasie? Natürlich regen auch diese Geschichten die Phantasie weiter an, aber ungefähr so wie die künstlichen Appetitverstärker in Hamburgern den Hunger anregen.
Also, wenn hier niemand wohnt,
dann weiß ich es nicht...!
Ich wünsche unseren Kindern Zeiten und Orte, wo sie ihren Gedanken unbeschwert und unbegrenzt freien Lauf lassen können und dass sie sich nicht zu früh abfüttern lassen mit fast-food-fantasy. Und uns wünsche ich, dass wir die Weite, die wir als Kinder hatten, nicht vergessen - und dass wir hin und wieder noch mal einen kleinen Wurzeltroll entdecken.

Freitag, 24. April 2015

Gegenwart

Manchmal ist unser Leben ein Hamsterrad: Aufstehen, arbeiten, Haushalt, schlafen - bis zum Wochenende. Bis zum Urlaub. Bis zur Rente. 
Und wenn es am Wochenende regnet? Wenn für den Urlaub kein Geld da ist? Wenn ich mit 65 zu krank bin, um meinen Ruhestand zu genießen - oder mein Partner plötzlich stirbt? 
Wie komme ich aus diesem Hamsterrad raus zum richtigen Leben?
Halt das Rad einfach an!
Bleib auf deinem gehetzten Weg zur Arbeit einen Moment stehen und betrachte ein paar Blumen am Weg. Nicht, um sie zu zählen, ihre Art zu bestimmen oder dich zu fragen, wer sie gepflanzt hat oder was sie gekostet haben. Sieh sie dir einfach nur an. Nimm sie wahr, ohne gleich zu bewerten oder zu urteilen. Sei ganz im gegenwärtigen Moment.
Und plötzlich wirst du merken: Sobald du in der Gegenwart bleibst, hast du Zeit. Es ist die einzige Zeit, die du hast, denn die Vergangenheit ist nur Erinnerung, ein blasser, lebloser Schatten der Zeit, und die Zukunft gehört dir noch nicht. Darum bleib in der Gegenwart. Sie gehört ganz dir. Hier bist du ganz du selbst. Und hier - nur hier! - begegnest du auch Gott. Er wartet auf dich in allem, was er geschaffen hat. Spürst du seine Gegenwart?

Dienstag, 21. April 2015

Abendlicht

Gestern abend sah ich beim Spazierengehen diese Bäume. Vom Frühling noch keine Spur, kein Blättchen. Jedenfalls aus der Entfernung sahen sie noch ziemlich tot aus. 
Trotzdem ein wunderbarer Anblick, so eingetaucht ins Abendlicht.
Und plötzlich fand ich das ein Bild für unser Leben, das so vieles enthält, was abgestorben und leblos wirkt.
Manchmal fühlen wir uns enttäuscht und müde und wissen noch nicht, wie da wieder Leben reinkommen soll. Wenn wir uns von Gott anschauen lassen, wird plötzlich alles anders. In seinem milden Licht wird schön, was uns hoffnungslos vorgekommen ist. Er kann das Beste aus uns rausholen - wenn wir uns seinem Blick aussetzen. 
Wir müssen das nicht tun. Denn das ist der Unterschied zwischen uns und diesen Bäumen: sie können nicht vor dem Abendlicht fliehen. Wir dagegen können vor Gott weglaufen. Er zwingt uns seine Nähe nicht auf. Und so versuchen wir, seinem Licht auszuweichen. Vielleicht, weil wir fürchten, sein Licht sei ein greller Neonstrahler, der auch das Übelste zum Vorschein bringt? Nach allem, was Jesus uns von Gott erzählt hat, ist er mehr wie dieses Abendlicht...

Samstag, 18. April 2015

noch'n Jubiläum

Gerade erst ist unser großes Jubiläumsjahr vorbei, 100 Jahre Dominikanerinnen von Bethanien Venlo, da gibt es schon wieder was zu feiern. Gut, zugegeben, dieses Jubiläum ist ein bisschen bescheidener, aber wir wollen es nicht unterschlagen: heute vor fünf Jahren haben wir angefangen zu bloggen!
Der Anfang von "Bethanien bloggt" war recht einfach, und er liegt in Lettland. Obwohl von Beginn an als Gemeinschaftsblog geplant, liegt der Gründungsimpuls doch vor allem darin begründet, dass mir nach meiner Versetzung ins Ausland gelegentlich meine Freunde und Familie fehlten. Das merkt man dem ersten Artikel durchaus an. 
Inzwischen hat eine ganze Reihe Autorinnen mitgeschrieben, von einigen Kandidatinnen über Schwestern verschiedener Häuser und Mitglieder unserer Laiengemeinschaft bis zur Generalpriorin. Manche nur einen Gastbeitrag, manche haben "Bethanien bloggt" sehr intensiv mitgetragen und -gestaltet. Dadurch sind unsere Themen vielfältiger geworden, und ich möchte mich bei ihnen allen bedanken, die unser Blog möglich gemacht haben - v.a. bei Sr. Sara, Hannah und Heidrun, ohne die es "Bethanien bloggt" nicht mehr gäbe. Und schließlich gilt mein Dank - last but noch least - den Leserinnen und Lesern - die dem Ganzen hier überhaupt erst einen Sinn geben.
Ad multos annos!

Donnerstag, 16. April 2015

Frühling under construction



Im Moment ist in unserem Park eine Menge los. Wir mussten einiges umbauen, deshalb haben wir jetzt eine Menge kahler Stellen, die neu bepflanzt werden müssen.
Man kann schon gut sehen, wie schön es werden wird.  Aber trotz aller Mühe können wir die Pflanzen nur setzen - wachsen müssen sie dann alleine. Wir bauen zwar kräftig am Frühling mit, aber dann kommt der Punkt, wo wir die Pflanzen dem großen Gärtner überlassen müssen.

Dienstag, 14. April 2015

Wehrhafte Kirsche


Der Gärtner hat unsere Zierkirsche beschnitten.
Wieder einmal.
Er sagt, das muss sein.
Ich finde das gemein. Jetzt ragt sie kahl und schwarz in den hellen Frühlingshimmel und kann nicht blühen.
Ich glaube, die Kirsche findet das auch gemein, jedenfalls wehrt sie sich:
ein ganz kleines Ästchen hat der Gärtner übersehen. Das blüht jetzt, so heftig es kann!

Freitag, 10. April 2015

Tai-Chi kastriert

Gestern habe ich zum ersten Mal Tai-Chi gemacht. Netter Lehrer, angenehme Bewegungen, kannste nix sagen.
Allerdings... "Wir machen das hier ganz ideologiefrei", beruhigte er uns. Auf die gleiche Weise habe ich früher mal Yoga gemacht, als reine Gymnastik. Warum auch nicht? Wenn's dem Körper gut tut, müssen wir uns mit Yin und Yang und dem Chi ja nicht belasten, oder?
In Lettland habe ich Katholiken kennengelernt, die fanden, dass man kein Yoga machen darf, weil das für einen Christen schädlich sein könnte. Vielleicht bringt einen die andere Philosophie vom rechten Weg ab, wer weiß? 
Das ist nicht mein Problem, im Gegenteil. Ich fand es immer schön, dass wir in Deutschland so frei sind, manches Gute anderer Kulturen zu übernehmen, auch wenn uns ihre Philosophie fremd bleibt. Allerdings hatte ich gestern sozusagen das gegenteilige Problem. Mir kam die Frage: Tun wir nicht denjenigen Unrecht, für die Tai-Chi eben viel mehr ist als Gymnastik, wenn wir über den ideologischen Hintergrund unwissend lächelnd hinweggehen?
Mir kommen die jungen Mädchen in den Sinn, die sich Rosenkränze als Halsketten umhängten (inzwischen scheint die Mode schon wieder vorbei zu sein), ohne zu ahnen, dass dies eine alte Gebets- und Meditationsform ist. Davon geht nicht die Welt unter, doch es berührt mich schon, dass wir immer sorgloser mit dem umgehen, was anderen Menschen wahr und heilig ist.
Ich werde jedenfalls künftig wieder vorzugsweise ordinäre Rückenschule machen und mich spirituell da verorten, wo ich zu Hause bin: im Christentum.

Mittwoch, 8. April 2015

Überlebenskünstler

Ich liebe Gänseblümchen. Besonders seit ich entdeckt habe, dass sie echte Überlebenskünstler sind.
Auf der Wiese vor unserem Haus haben sie den ganzen Winter über geblüht.  Okay, wir hatten nicht gerade Unmengen Schnee - aber wir hatten Schnee! Die Gänseblümchen hat das nicht beeindruckt. Ihr Lebenswille ist stärker.
Ich nehme mir diese Gänseblümchen zum Vorbild für ein österliches Leben.

Freitag, 3. April 2015

(Er)löser

Karfreitag.
Seit ich im Kloster bin, feiere ich ihn anders als früher. Morgens ist die Liturgie streng und düster, angelehnt an die jahrhundertealten dominikanischen Traditionen. Die Feier um 15:00 Uhr dagegen passen wir etwas an, denn wir leben mitten in unseren Kinderdörfern und möchten, dass möglichst auch unsere Kinder und Jugendlichen verstehen, worum es geht.
Die Passion lesen wir mit verteilten Rollen (das ist noch relativ normal), aber es hat sich eingebürgert, dass die Sprecher der kleineren Rollen in den Bänken bleiben und nur aufstehen, wenn sie dran sind. Das gibt eine unglaubliche Stimmung. Zum einen ist es spannender für die Kids: wo passiert als nächstes was? Aber auch geistlich ist es intensiver, denn plötzlich wird einem körperlich bewusst, dass die Pförtnerin, die Soldaten, die Juden, der Petrus... Leute aus dem Volk sind, Menschen wie du und ich. 
Ich erinnere mich an mein erstes Jahr als Novizin, da hatte ich auch so eine kleine Rolle. Ein Satz oder so. Und dann musste ich an einer Stelle zusammen mit einigen anderen aufstehen und laut in die Kirche rufen: "Weg mit ihm! Kreuzige ihn!" Mitten aus der Menge heraus. Das geht unter die Haut. So war es diesmal auch. 
Nachher haben wir zur Kreuzverehrung die Möglichkeit gegeben, geknotete Tücher am Kreuz abzulegen, als Zeichen für all das, was in uns verknotet und verkorkst ist, und was Jesus (er)lösen soll. Wer wollte, konnte einen solchen Knoten auch mit nach Hause nehmen, zur Erinnerung oder zum weiteren Nachdenken. Und - wer weiß - vielleicht bringen ja auch einige ihn in die Osternacht mit, um ihn im Osterfeuer zu verbrennen!