Dienstag, 30. Dezember 2014

Christliches Abendland

Gestern habe ich einen hervorragenden Artikel in der faz.net von Markus Günther entdeckt. Es geht darin um die Krise der christlichen Kirchen in Deutschland, aber endlich einmal nicht um die üblichen oberflächlichen Themen wie die Skandale oder Frage der Modernität. Im Gegenteil: Herr Günther hält ausdrücklich fest, dass die Krise nicht durch den Zölibat o.ä. bedingt sein kann - denn dann wäre die evangelische Kirche nicht betroffen. Ist sie aber.
Das Problem liegt tiefer, bei den fundamentalen Fragen. Wesentliche Inhalte des Glaubens werden nicht mehr vermittelt, nicht mehr verstanden und fehlen somit großen Teilen der deutschen Bevölkerung und selbst der Kirchgänger. "Dass nur ein Drittel der Deutschen an die Auferstehung Christi glaubt, müsste die Kirchen schon einigermaßen beunruhigen, wenn doch nach Aktenlage zwei Drittel Christen sind."

Mich trifft dieser Artikel besonders, weil ich seit längerem schon der Meinung bin, dass unser christliches Abendland massiv bedroht ist - allerdings nicht durch eine schleichende Islamisierung, wie es Pegida behauptet. Wir selber zerstören unsere Kultur, nicht nur aber eben auch durch den oben beschriebenen Schwund der Glaubensinhalte.
Wie kommt es, dass nicht nur große Teile der Bevölkerung völlig ohne Kirche auskommen, sondern auch ein erheblicher Anteil der Christen kaum noch die die wichtigsten Basics kennt und glaubt? Sind wir mit unserer christlichen Lehre zu bieder, zu langweilig, zu streng oder zu konturlos? Günthers These ist, dass die Kirchen die Ecken und Kanten ihrer Profile bis zur Unkenntlichkeit abgeschliffen haben. Jesus wird dann beispielsweise nicht mehr als der Sohn Gottes verkündet, sondern nur noch als guter Mensch, als Vorbild. Tja, davon gibt es aber eben noch ein paar mehr.
Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Sauerteig,
den eine Frau unter einen großen Trog Mehl mischte,
bis das Ganze durchsäuert war. (Mt 13,33)
Ich kann das bestätigen, das kenne ich aus vielen Gottesdiensten. Wir wollen alle erreichen, niemanden ausschließen und vor den Kopf stoßen - und höhlen dabei das Evangelium aus. Die Lehre Jesu verliert so an Biss. Ich kann mich an harte Stunden erinnern, als ich zwei Jugendliche auf die Taufe vorbereitete und mit ihnen im Zuge des Glaubensbekenntnisses über die Jungfrauengeburt sprechen musste. Man kann erklären, was damit gemeint ist, aber es hilft alles nichts: die katholische Kirche verkündet hier ein Paradox. Punkt. Das Gleiche gilt für "Jesus ist ganz Gott und ganz Mensch." Wenn ich der Versuchung nachgebe, diesen Widerspruch zu umgehen, zu verwässern oder zu verschweigen, weil man ihn ja nicht wirklich verstehen kann (und wir wollen heute ja alles verstehen, nicht wahr?), dann verfälsche ich eben Stückchen für Stückchen die Lehre und lande - schwupps - bei einer der vielen x-beliebigen Wohlfühl-Alltags-Philosophien, die wir uns so zusammenstricken. 
Andererseits: ich kann gerade den katholischen Glauben auch derart hardcoremäßig aufziehen, dass wirklich nur noch ein klitzekleiner Kreis der Seligen übrigbleibt. (Die Evangelen können das auch, aber da ist es meiner Beobachtung nach nicht so institutionalisiert.) Das kann eigentlich auch nicht im Sinne des Erfinders sein.
Es gibt sie, die Glaubensboten, die sich nach Kräften bemühen, vor allem die Menschen, mit denen sie gerade sprechen, in den Mittelpunkt zu stellen und die gleichzeitig versuchen, das Evangelium treu und unverfälscht zu verkünden. Ist es nicht genau das, was Jesus getan hat? Je näher wir ihm nachfolgen, desto mehr dürfen wir auf Erfolg hoffen.
Wobei "Erfolg" im Sinne Jesu sich natürlich nicht an der Quote bemisst, das ist schon klar, nicht wahr? In seinen Bildern sind wir der Sauerteig - nicht das Mehl. Wir müssen nicht unbedingt mehr werden. Aber wir dürfen unseren Geschmack nicht verlieren!

Foto: Christa Nöhren@pixelio.de




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