Montag, 20. Oktober 2014

Okklumentik im Kloster

Sie hat es getan!
Ich konnte es mir vorher ja nicht so ganz vorstellen, aber meine Exerzitienmeisterin hat mich tatsächlich über Harry Potter meditieren lassen.
Okay, der Fairness halber sollte man dazu sagen, dass es immer noch allerlei andere Texte dazu gab, aber das war oft, wie soll ich sagen... Ein Beispiel:
Ich liebe die rheinischen Mystiker! Unsere großen dominikanischen Mitbrüder Eckehard, Tauler und Seuse haben mir schon manche Exerzitien bereitet. Auch diesmal kamen sie wieder vor.
"Löse deinen Geist von allen Zwecken, denen er verpfändet ist, von aller Liebe, allen Gedanken, allem Wohlwollen der Geschöpfe; denn soll Gott in deinen Geist eingehen, so muss notwendigerweise das Geschöpfliche heraus" - so z.B. Johannes Tauler. Sehr schön und tief, aber ganz im Vertrauen: irgendwann wird die mittelalterliche Sprache einfach mühsam.
Bei J.K.Rowling klingt es so: "lösen Sie Ihren Geist von allen Gefühlen; machen Sie ihn leer, machen Sie ihn frei von allem und finden Sie Ruhe". Kenner wissen: das ist aus dem fünften Band, als Harry Okklumentik lernen muss.
Also habe ich mich zur Abwechslung mal an Prof. Snapes Anweisung gehalten und Okklumentik geübt. Böse Gedanken abwehren, leer werden, Ruhe finden. Super! Okay, dann fehlte noch, was ich mit dem leeren und ruhigen Geist machen soll. Das sagt Snape dem armen Harry nämlich nicht - und deswegen klappt es bei ihm ja auch nicht.
"Horror vacui" nennt die geistliche Literatur die Unfähigkeit des Menschen, nichts zu denken. Sobald der Geist leer ist, muss etwas rein. Bei den Mystikern ist das ganz klar: wir schaffen diese Leere für Gott. Bei Rowlings Harry Potter geht es viel um die Liebe, auch um die Seele und das Leben nach dem Tod, und all das hat klar christliche Züge - aber Gott kommt nicht vor.
Trotzdem hat es Spaß gemacht, die meditativen Basics (nichts anderes ist das Leeren des Geistes schließlich) mal als Okklumentikübung zu betrachten.

Nachtrag für Kenner: 
es gibt keinen Zauberspruch "Okklumens" oder so. Okklumentik ist eine reine Konzentrations- und Übungssache. Das Loslösen von Gefühlen und Gedanken kann man nicht herbeizaubern, es ist letztlich eine Frage der Disziplin, im Roman genauso wie im echten, geistlichen Leben.

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