Donnerstag, 18. September 2014

Prüde

Kinderpornographie ist ekelhaft. Ich denke, soweit sind wir uns einig. Jetzt sollen die einschlägigen Gesetze zum Schutz der Kinder verschärft werden. Gut so, sollte man meinen - aber nicht alle sind damit glücklich.
Zunächst mal zur Sache: Bisher waren Bilder strafbar, die sexuellen Missbrauch von Kindern zeigten, nicht einfach nur nackte Kinder am Strand oder so. Deutlich wird der Unterschied am Fall des Politikers Edathy: Er besaß große Mengen von Bildern nackter Kinder (vielleicht zum Zwecke anatomischer Vergleichsstudien, keine Ahnung), aber sagte zu seiner Verteidigung: "alles legal erworben". 
Das soll sich jetzt also ändern. Künftig soll überhaupt der Besitz und das Verbreiten von Nacktbilder von Kindern strafbar sein, sofern sie ohne Erlaubnis der Eltern gemacht wurden. Kritiker nennen das "unverhältnismäßig" und befürchten nun eine neue Prüderie.
Dazu möchte ich etwas sagen. Als Erzieherin. Und als Öffentlichkeitsbeauftragte einer Gemeinschaft, die Trägerin dreier Kinderdörfer ist.
Ja, Prüderie ist nicht toll, wir wollen alle nicht in unsere verklemmte Kindheit zurück. Und nein, wir wollen auch nicht, dass jetzt lauter Nachbarn einander verklagen, weil sie sich gezankt haben und ihnen einfällt, dass die anderen doch noch Bilder haben müssen vom letzten Kindergeburtstag im Hochsommer. Aber - hallo? - es geht hier nicht um die Erwachsenen! Es geht um den Schutz von Kindern.
Kinder haben Rechte. In der UN-Kinderrechtskonvention ist sogar ausdrücklich das Recht der Kinder auf Privatsphäre festgehalten. In diesem Fall heißt das: ein Kind hat das Recht darauf, selber zu entscheiden, welche Bilder von ihm veröffentlicht werden. Ist es dazu noch zu klein, liegt die Entscheidung bei den Eltern. Die stehen dann vor der Frage:
Wenn mein Kind nackt rumläuft (wogegen ja erstmal nichts zu sagen ist), muss ich es dann auch in jeder Situation fotografieren?
Wenn ich mein Kind nackt fotografiert habe (wogegen erstmal nichts zu sagen ist), muss ich dieses Foto dann auch veröffentlichen? Oder wird mein Kind später einmal etwas dagegen haben, sich selber so im Internet zu finden?
Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass es hier nicht um die Frage von Prüderie oder von einer drohenden Klagewelle geht, sondern vielmehr darum, dass wir uns selber beschränken müssen: nicht alles, was wir ganz harmlos in unserem Alltag erleben und auf Bildern festhalten, gehört in die Öffentlichkeit. Nur gibt es leider inzwischen immer mehr Menschen, die diese simple Tatsache als Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit betrachten und deshalb nicht akzeptieren wollen.

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