Ich finde es sehr spannend, die verschiedenen
Ostererzählungen zu vergleichen. Im einen Evangelium ist von zwei Frauen die
Rede, im anderen von dreien, nur bei Johannes ist Maria von Magdala alleine. In den anderen Evangelien erklären
der oder die Engel (mal einer, mal zwei), dass Jesus lebe, dass das schon in der Schrift stehe, usw. Bei
Johannes nicht. Hier stellen die beiden Engel nur eine Frage: „Frau, warum
weinst du?“ Maria versucht eine Erklärung – aber sie bekommt keine weitere Antwort.
Dann entdeckt sie Jesus, ohne ihn zu erkennen und der
wiederholt die Frage des Engels: „Frau, warum weinst du? Wen suchst du?“
Keine theologische Abhandlung, wie Johannes es sonst schon
mal gerne schreibt. Keine Predigt, nicht einmal eine Erklärung. Während in den
anderen drei Evangelien am Ostermorgen der Verstand bemüht wird, geht es hier
ums Gefühl: „Warum weinst du?“
Tja, warum weint Maria? „Sie haben meinen Herrn weggenommen.“
Selbst im Tod ist die Trauer noch zu steigern, denn der Leichnam des Geliebten
ist verschwunden. Und so sucht sie den toten Körper, wenigstens das.
Die Männer im Gefolge Jesu reagieren ganz anders, als sie vom
leeren Grab erfahren, das ist die Vorgeschichte zu diesem Evangelium: Maria Magdalena hatte das leere Grab entdeckt und den Jüngern davon erzählt. Daraufhin liefern sich Petrus und Johannes den berühmten Wettlauf
zum Grab, wundern sich – und gehen wieder nach Hause. Erst danach beginnt die
heutige Perikope: „Maria stand draußen vor dem Grab und weinte…“
Als die Apostel schon wieder weg sind, fängt es für die "Apostola Apostolorum"
erst richtig an. Als die Männer zwar gläubig, aber verwundert gehen, bleibt sie in ihrem Schmerz
da – und wird so zur ersten Zeugin der Auferstehung.
Niemand kommt Jesus so nahe wie sie, die weinende Maria
Magdalena. Auch die anderen Ostererzählungen sind spannend, und jede hat einen
eigenen Charakter, bis hin zu den Emmausjüngern und dem zweifelnden Thomas.
Aber die Sehnsucht und die Liebe der Maria Magdalena ermöglichen eine
Gottesbegegnung völlig anderer Art, stiller, inniger, fast wortlos. Erst aus
dieser Begegnung erwächst der Predigtauftrag: „Geh und sag meinen Brüdern…“
Ich halte das für eine wichtige Aussage auch über uns: Jesus
ist auferstanden! Eigentlich feiern wir das in jeder hl. Messe. Aber oft genug
versuchen wir, dieses Geheimnis mit dem Verstand zu begreifen. Mir jedenfalls
geht es immer wieder so – obwohl ich doch weiß, dass das Entscheidende hier
nicht zu verstehen ist. Oder wir rennen los wie Petrus und Johannes, um
irgendetwas zu tun, um das Wunder irgendwie zu fassen zu kriegen. Mit solchem
Aktionismus kann man wohl Spuren des Wunders entdecken und das kann auch
genügen um zu glauben. Aber ihm selber werden wir nur begegnen, wenn wir Jesus
wirklich vermissen, wenn wir uns wirklich nach ihm sehnen. Und nur, wenn wir
dieser unserer Sehnsucht auch Zeit und Raum geben, dann werden wir Gott so
intensiv begegnen können wie Maria Magdalena. Immer wieder neu muss unsere
Liebe und unsere Begegnung mit ihm der Anfang und Ursprung unserer Sendung sein.
Ich habe diese Perikope heute noch einmal sehr intensiv meditiert. Zuvor tat ich das zu Ostern. Ich bin nach den Regeln des 7-schrittigen Bibelteilens vorgegangen und ich erlebte das heute ganz, ganz anders: Mir ist aufgefallen, dass weder Maria Magdalena Jesus sofort erkannt hatte (was im ersten Moment ja nicht verwundert, nach all des Torturen war er wohl ziemlich verändert), noch Jesus sie. Sie hielt ihn für den Gärtner. Das heißt doch wohl, dass er weder eine "Lichtgestalt" war, wie die Engel, noch äußere Zeichen seines Matyrums trug. Er musste eigentlich wie der Gärtner ausgesehen haben, ein normaler Mann mit Arbeitsklamotten (hat ihm der Gärtner, wohl ein Nichtjude, der am Sabbat arbeitete, aus dem Grab geholfen, ihm geholfen sich zu reinigen und ihm Kleider gegeben und auch was zu essen????) Und Jesus: Maria hatte zu ihm ja ganz offensichtlich eine sehr innige Beziehung, sonst hätte sie ihn nicht "meinen Herrn" genannt, sondern "unseren Herrn" - klingt irgend wie "besitzend" oder "besitzergreifend"... . (An anderen Bibelstellen nennen Frauen so ihren Mann) Er redet sie (doppelt unerkannt) also denn auch an wie eine Fremde. "Frau, warum weinst du? Wen suchst du?" Hatte sie Trauerkleidung mit Schleier an, wie eine Witwe? Wusste er nicht, wo er da gerade war? Vor seinem eigenen Grab an dem eine zumindest seht gute Bekannte ganz offensichtlich IHN selbst sucht? Jedenfalls: Als sie ihn dann mit dem Gärtner verwechselte und fragte, ob denn er den Leichnam entfernt habe und - wenn ja - wohin? Da erkannte er sie unD (oder oder????) gab sich ihr zu erkennen, indem er sie beim Namen nannte: "Maria." Jetzt erkannte sie ihn auch und nannte ihn höchst ehrerbietig: "Rabbuni!" Mein Lehrer, mein Meister! Also doch nicht so vertraut? War es eine einseitige Innigkeit? Und Johannes: Hockte der irgendwo im Gebüsch und belauschte die Szene??? Der, "der es gesehen hat" (Joh 19/35a).... Ich MUSS mehr dazu lesen... hast du einen Literaturtipp, liebe Sr. Barbara...
AntwortenLöschenEinen Literaturtipp kann ich nicht aus dem Ärmel schütteln, da müsste ich erst einmal in die Bibliothek. Aber soviel kann ich schon mal sagen: Dass MM Jesus für den Gärtner hält, ist in der Tat ein interessanter Hinweis auf sein Aussehen. Aber dass er sie fragt "Wen suchst du?" würde ich nicht als Ausdruck des Unwissens deuten, sondern viel mehr als Hilfe zur Bewusstmachung. Sie muss sich klar werden und äußern, was ihr Schmerz und ihr Ziel ist. Im Grunde stärkt er damit ihre Autonomie, denn sie bleibt aktiv. Erst als sie ihn nicht erkennt, übernimmt er.
Löschen"Rabbuni" ist übrigens eine Art Koseform von "Rabbi" (Lehrer, Meister), so etwa "Lieber Meister", weniger ehrerbietig als vielmehr Ausdruck der sehr vertrauten Beziehung.