Donnerstag, 29. August 2013

Ohne mich?

Gerade habe ich wieder mal den Slogan "Wahl 2013 - ohne mich!" gesehen. Und dann liegt da auf dem Tisch meine Wahlbenachrichtigung: meine Lizenz zum Wählen sozusagen. (Frauen dürfen in Deutschland übrigens erst seit 1918 wählen, ich betrachte meinen Wahlschein also durchaus als ein Privileg, aber das nur nebenbei.)
Ich muss zugeben: diesmal fällt es mir auch nicht leicht, mich zu entscheiden. Ich bin mit den Parteien, die ich sonst immer gewählt habe, nicht besonders zufrieden. "Was macht ihr für einen Quatsch?" möchte ich ihnen manchmal zurufen "dafür habe ich euch nicht gewählt!"
Aber was ist die Alternative? "Wahl 2013 - ohne mich"? Was passiert denn, wenn ich nicht wählen gehe?
Ich kann meinen Wahlschein mit dramatischer Geste zerreißen - jetzt hab ich es euch allen aber gegeben! Und dann? Dann geht das politische Leben genauso weiter wie vorher, nur dass ich dann nichts mehr dazu zu sagen habe.
Wer sagt "Mit euch spiel ich nicht mehr, macht euren Mist doch alleine!", der verkennt, dass wir alle vom politischen Geschehen betroffen sind und bleiben. Kein Politiker macht seine Politik ohne uns, wir spielen immer mit, wir haben immer miteinander zu tun, was die Politiker tun, geht uns an, ob wir wollen oder nicht. Immer. 
Deshalb haben wir ja (glücklicherweise und im Lauf der Geschichte hart erkämpft) das Recht, mitzubestimmen. Das ganze Volk soll mitreden können. Was alle angeht, soll von allen entschieden werden. Okay, das geht nicht in den Einzelentscheidungen (damit wären die meisten Bürger wohl auch restlos überfordert, mich eingeschlossen), sondern nur durch Vertreter, die wir wählen. Aber ob direkt oder indirekt: in unserem Staat geht alle Macht vom Volk aus.
Und wenn das Volk die Macht gar nicht will? Wenn das Volk sagt: "ohne uns?"
Dann verteilt sich die Macht eben auf weniger Menschen, die bereit sind, sie auszuüben. Dann bekommen wir immer noch ein Parlament, dann bekommen genau die gleichen Politiker das Sagen, aber es wird nicht mehr den wirklichen Wählerwillen abbilden.
Insofern bringt es gar nichts, wenn man am Wahltag sagt "ohne mich". Das Leben in diesem Land läuft niemals ohne mich. Die Frage ist nur, ob ich meinen Teil an der Verantwortung dafür übernehme oder ob ich andere über meinen Kopf hinweg bestimmen lasse.

2 Kommentare:

  1. Die Macht, die vom Volk ausgeht, beschränkt sich zunächst einmal nicht auf Wahlen. Bürgerbegehren, Initiativen, Vereine, Interessengruppen, Zusammenschlüsse wie die Lebensrecht-Bewegung... das sind auch Möglichkeiten der Einflussnahme, der Macht.
    Sodann ist nicht nur meine Wahlverweigerung alles andere als eine große Geste. Es gibt ganz einfach keine Partei, absolut keine, die ich noch unterstützen kann, ohne mit fressenden Gewissenbissen zu leben. Ich habe einen letzten Versuch gemacht und mich bei einer der kleineren Parteien, die ich für "möglicherweise wählbar" hielt, nach ihrer Haltung zur Abtreibung erkundigt. Die Antwort war, daß sie darüber erst nach der Wahl beschließen wird - und das Risiko gehe ich nicht ein.
    Wenn die Wahl nur zwischen Räubern, Mördern und Betrügern besteht, soll ich dann die Betrüger wählen, weil das Verbrechen nicht so schwer wiegt wie die anderen beiden?

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  2. Weißt du, Claudia, ich glaube, dass Du schon auf eine andere Art die Wahl verweigerst als die, die ich im Blick habe. Wer sich ernsthaft und umfassend informiert und sich tatsächlich auch politisch engagiert, der sagt ja nicht einfach "mit euch spiel ich nicht mehr". Insofern ist dein Beispiel mit der Abtreibung wesentlich erhellender als die Formel von den Räubern, Mördern und Betrügern - das klingt nämlich schon wieder so nach Stammtisch, dass ich es nicht akzeptiere. Was heißt denn Räuber? Wenn man das konkret benennen will, kommt man ganz schnell an Punkte, die eben nicht so einfach sind. In Nullkommanix ist man bei so Formulierungen wie "Wollten wir, steht auch im Wahlprogramm, konnten wir aber gegen unseren Koalitionspartner / die Opposition nicht durchsetzen". Und dann? Dann muss ich als Wähler den gesellschaftlichen Realitäten ins Gesicht sehen. Und muss trotzdem einer Partei ein Mandat erteilen. Weil sonst unser Land unregierbar wird. Ja, ich kann immer noch entscheiden, welches Modell ich für unsere Gesellschaft besser finde und was ich auf keinen Fall will. Und wenn du dich außerparlamentarisch engagierst, tust du das nicht auch, um Parteien zu beeinflussen? Wieso ist dir dann egal, wer die Gesetze macht? Man kann das eine tun (z.B. Lebensschutz oder Demo in einem konkreten Fall) und muss deshalb das andere nicht lassen (die Partei wählen, die noch am ehesten in deine Richtung steuert).

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