Neulich war ich in einer der Außenwohngruppen unseres Kinderdorfes zu Besuch. Wir Schwestern losen immer zu Neujahr, wer für welche Gruppe betet, und diesmal habe ich eben diese AWG gezogen. Ich kannte die Kinder und Erwachsenen kaum oder gar nicht, deshalb haben sie mich zum Abendessen eingeladen.
Mann, was für ein quirliger Haufen! Neun Jungs und ein Mädchen von vier bis zwölf Jahren - das ist dann auch schon mal was lauter. Aber trotzdem ging es ziemlich zivilisiert zu, nur einmal sagte die Erzieherin Nina (alle Namen geändert) zum 12jährigen Laurenz: "Ich versteh nur Brötchen!" weil der mit vollem Mund sprach. (Den Spruch muss ich mir unbedingt merken!)
Also: alle unterhielten sich lebhaft - aber die Themen! Zuerst noch ganz normal: Wenn "ihre" Schwester zu Besuch ist, müssen die Kinder das sofort nutzen um zu fragen, wann denn Kevin und Steven und Julius Namenstag haben - und Gruppenleiterin Judith! Zu jedem Namen wusste ich irgendwas (obwohl ich manchmal auch geschummelt habe), nur bei Chayenne musste ich passen. Als wir alle Namen der AWG durchhatten, sollte es mit Aische aus einer anderen Kinderdorffamilie weitergehen, aber da konnte ich abblocken: "Aische ist doch Muslimin - für die muss ich keinen katholischen Heiligen wissen!" Da waren sie dann auch zufrieden und wir konnten endlich das Thema wechseln.
Aber als Nina stöhnte: "Müssen wir denn bei JEDEM Abendessen über Hitler sprechen?", da klärte uns Marc empört auf: "Es gibt ja schließlich immer noch Nazis!" Da konnten wir schlecht widersprechen und so haben wir also noch geklärt, wie es Hitler so in seinen letzten Tagen im Bunker im Berlin ging, ob er Kinder hatte - und wieso um alles in der Welt er seinen Hund getötet hat - wenn er ihn doch so gern hatte.
Der Wahnsinn! Ich sag ja immer: unterschätzt unsere Kinder nicht!
Nach dem Essen musste ich dann gegen alle Jungen im Armdrücken antreten -
aber das ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt
werden.