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Ausschnitt aus einem Wahlplakat
der Regensburger Kommunalwahl |
Auf dem Katholikentag war ich bei einer Podiumsdiskussion zum Thema: "Mehr als Ideologie und Blasphemie? - Zum Streit um Religion im öffentlichen Raum".
Sehr spannend! Dürfen wir in Deutschland noch unbefangen zu unserem Glauben stehen, oder werden wir dann sofort angegriffen bzw. mindestens für bescheuert erklärt? Gehört Religion in die privaten vier Wände (Leutheusser-Schnarrenberger)? Oder ist die christliche Religion die Wurzel all der freiheitlichen Werte, auf die sich ausgerechnet diejenigen berufen, die die Religion am liebsten abschaffen möchten (Gerl-Falkowitz)? Überaus spannend war für mich auch, dass auf dem Podium 5 Christen unterschiedlicher Konfession und ein Moslem saßen (Ayman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland). Dieser sagte am Anfang noch, die Gesellschaft würdige die Religion und ihre Errungenschaften z.B. in der sozialen Arbeit zu wenig. Super! Aber was war das? Schwupps - drehte sich das Gespräch plötzlich praktisch ausschließlich um die Stellung des Islam in Deutschland. Ich war eigentlich gekommen, weil ich finde, dass ich als Katholikin und Ordensfrau immer wieder in Rechtfertigungsdruck gerate.
Gerade hatten wir die Diskussion ja für ganz Europa. Martin Schulz, Sie erinnern sich. Jetzt also auf dem Katholikentag der schwache Versuch eines halben Podiums, sich gegen ein aggressiv-liberales "Religion ist Privatsache" und einen freundlichen aber umso selbstbewussteren und dominanteren Islamvertreter zu behaupten. Entspricht das der gesellschaftlichen Realität in Europa?
Laut Radio Vatikan sind etwa 273 Mio (54%) der EU-Bürger römisch katholisch. Über 80 % der EU-Bürger gehören einer christlichen Konfession an: katholisch, evangelisch oder orthodox. 13-22 Mio Muslime gibt es in Europa, das sind also 2,5-4,4 %. Der Anteil der Konfessionslosen nimmt zu: es sind etwa 16%, genaue Zahlen gibt es nicht.
(http://de.radiovaticana.va/news/2014/05/20/eu:_kein_gottloser_zusammenschluss/ted-800733)
Bei diesen Zahlen lehne ich mich zurück und frage mich - worüber diskutieren wir eigentlich? Über eine Minderheitendiktatur?
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Ökumene geht längst auf allen Ebenen!
Bildquelle: offizielle facebook-Seite des Katholikentages 2014 |
Warum haben die Christen das Gefühl, in einer zunehmend säkularen Gesellschaft um ihr Existenzrecht kämpfen zu müssen, während gleichzeitig der Islam Minderheiten-schutz genießt?
Sind die 16% Konfessionslosen zu aggressiv?
Werden wir tatsächlich von 4% Moslems überflutet?
Oder ist es vielmehr so, dass die Christen Europas sich nicht als Mehrheit wahrnehmen, weil ein großer Teil von ihnen den Glauben weder kennt noch praktiziert?
Hinzu kommt, dass die aktiven Gläubigen nur teilweise ökumenisch denken und leben, weil wir uns lieber in konfessionellen Grabenkämpfen verlieren. Haben wir immer noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt? Können wir es uns heute wirklich noch leisten, unsere Geschwister in Christus verächtlich zu machen? Manche scheinen das zu glauben.
Und wenn wir mit den evangelischen und orthodoxen Nachbarn klarkommen, dann zanken wir uns ganz sicher innerhalb unserer eigenen Gemeinde: die "Ewiggestrigen" mit den "Altliberalen" und den "Kaputtreformierern" usw. Das gibt dann ein wirklich überzeugendes Bild der frohen Botschaft und der Jüngerschaft Christi!
Ja, ich gebe zu: Salafisten in deutschen Städten erschrecken mich.
Ja, auch der Satz "Religion ist Privatsache" aus dem Mund von deutschen Politikern macht mir Sorgen.
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Nacht der Lichter
Bildquelle: offizielle facebook-Seite des Katholikentages 2014 |
Aber ich fürchte, dass wir vollkommen falsch ansetzen, wenn wir gegen die bösen Moslems und die schrecklichen Atheisten kämpfen. Wäre unser Zeugnis glaubwürdig, könnten uns weder die einen noch die anderen etwas anhaben. Schon die Urgemeinde in Jerusalem hatte es wahrhaft nicht leicht, doch sie hat alle Widerstände überwunden, denn:
"alle, die gläubig geworden waren, bildeten eine Gemeinschaft und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen, jedem so viel, wie er nötig hatte. Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel, brachen in ihren Häusern das Brot und hielten miteinander Mahl in Freude und Einfalt des Herzens. Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt." (Apg 2, 44-47)
Ich bin sicher: je näher wir diesem Urbild christlichen Lebens kommen, desto weniger brauchen wir uns um unsere Rolle in Europa zu sorgen.