Mittwoch, 12. Oktober 2011

Runtergefahren

Arbeiten Sie viel am Computer? Dann ist Ihnen vielleicht auch schon mal der Vergleich in den Sinn gekommen, dass der Mensch genauso "runterfährt" wie sein Rechner.
Bei mir jedenfalls ist das so: Wenn ich abends noch länger arbeiten muss, dann brauche ich anschließend eine ganze Weile, um von "volle Leistung" in den Ruhemodus umzuschalten. Dazu gehört das Aufräumen des Schreibtischs, das Runterfahren des PCs, Fenster schließen und Licht ausmachen im Büro. Auf dem Weg durchs Treppenhaus und rüber zum Schwesternhaus bin ich dann schon wesentlich ruhiger. Auch hier gibt es noch Lichter zu löschen und Türen ab- und aufzuschließen, aber das passiert alles mehr oder weniger automatisch: ich bin schon auf "standby".
In diesem Moment sollte man mich besser nicht mehr stören. Ich bin dann einfach nicht mehr so recht zu sozialen Aktionen fähig, nicht mehr flexibel und schon deutlich in den Reaktionen verlangsamt.
Wieso erzähle ich das? Vorgestern kam ich in diesem standby-Modus die Treppe des Haupthauses runter, 22:00, schon alles dunkel. Plötzlich höre ich Stimmen. Männerstimmen. Mein armes, verlangsamtes, schon halb schlafendes Gehirn begann mühsam einen Sicherheitscheck: Einbrecher? - Zu laut. Mitarbeiter vom Kinderdorf? - Zu spät. Private Gäste? - Mir sagt wieder keiner was! Offizielle Gäste? - Mmh? Moment! Da war doch was! Ich weiß... ich weiß... wer... das... ist...
In dem Moment stand ich zwei freundlichen Herren ganz in Schwarz gegenüber. "Guten Abend! Sie sind Schwester...?" "Barbara." Das kann mein Gehirn auch im Tiefschlaf. Und dann hat mein Gehirn aus den Tiefen seiner demokratisch-bürgerlichen Erziehung etwas hervorgekramt, das ich ihm nicht so schnell verzeihen werde. Ich habe nämlich gelernt, dass sich der Herr zuerst vorstellt. Nicht die Dame. Also so von wegen Knigge und Höflichkeit und so. Deshalb hat mein Gehirn reflexartig an meine Sprechwerkzeuge den Befehl geschickt zu sagen: "Und Sie sind ...?"
Der Gedanke war noch nicht ganz in Schallwellen umgewandelt, da hatte der andere Teil meines Gehirns seinen Sicherheitscheck beendet und meldete triumphierend: Es ist der Bischof! Weihbischof Borsch mit seinem Fahrer, der während seiner Visitation ja bei uns wohnt - was für eine Ehre!!!
Ne, ne, ne, das war ein Neustart! Zum Glück ist dieser Bischof die Freundlichkeit in Person, einer, der die Situation rettet und sich tatsächlich vorstellt und dann später nichts krumm nimmt. Eben jemand, dem man getrost auch im Dunkeln begegnen kann...

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