Sonntag, 2. Oktober 2011

Die Kandidatin

Zur Zeit haben wir zwei Kandidatinnen, eine in Schwalmtal am Niederrhein und eine in Leipzig.
Die Kandidatur ist die erste Stufe der Ordenszugehörigkeit. Nach dem ersten Schnuppern als sogenannte "Interessentin" (intern auch "Guckfräulein" oder "Sehjungfrau" genannt) wird sie offiziell aufgenommen und einem Haus ("Konvent") zugeordnet. Mit der Generalleitung werden die Details der Kandidatur besprochen: sie kann bis zu 2 Jahren dauern und offen oder geschlossen erfolgen. Das hängt von den Lebensumständen der betreffenden Frau ab.
Offene Kandidatur heißt, dass die Kandidatin noch mehr oder weniger in ihrer eigenen Wohnung lebt und so oft es ihr möglich ist, im Konvent vorbeikommt. Eine geschlossene Kandidatur bedeutet, dass die Kandidatin schon richtig im Konvent lebt. Sie kann trotzdem noch eine eigene Wohnung haben, diese Phase ist noch relativ unverbindlich.
In beiden Fällen ist das Ziel, das Leben im Orden kennenzulernen und den nächsten Schritt vorzubereiten: das Postulat. Doch bevor man diese größere Verpflichtung eingehen kann, muss eben gut geprüft werden, ob Kandidatin und Gemeinschaft zueinander passen.

An dieser Stelle möchte ich einmal zu Protokoll geben: Kandidatinnen sind klasse! Ehrlich.

Zunächst mal sind sie natürlich ein 1A-Passe-partout. Man kann sie überall einsetzen, wo gerade jemand fehlt: Wer kann Sr. Tusnelda zum Bahnhof bringen? und Pater Otto vom Flughafen abholen? und wer kann mal mit den alten Schwestern im Rollstuhl durch den Park spazierenfahren? Ach, und beim Spülen ist es auch schon wieder so eng... Kein Thema: wir haben ja eine Kandidatin, die kann alles!
Aber vor allem haben Kandidatinnen noch einen anderen Vorzug: Unabhängig von der Person und ihrem Alter kommen sie mit einem neuen und frischen Blick. Sozusagen mit großen, erstaunten Augen sitzen sie zwischen uns und stellen durch ihre bloße Anwesenheit alles in Frage, was wir sagen und tun. Sie brauchen gar nicht wirklich den Mund aufzumachen: manchmal frage ich mich selber, allein schon dadurch, dass sie dabei ist. Warum tue ich dies oder das eigentlich? Lebe ich noch so, wie wir es uns vorgenommen haben? Erlebt sie bei uns das Ideal, das wir ihr versprochen haben?
Kandidatinnen werden so zu einem wertvollen Korrektiv unseres Ordenslebens.
Wenn sie es ins Postulat schaffen, verändert sich das Verhältnis. Dann werden die geistlichen Aspekte wichtiger als die des praktischen Lebens. Aber darüber schreibe ich ein anderes Mal.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.